Waaghausticker November 2021

Die ausgewählten Ergebnisse der Parlamentssitzung vom 2. November 2021 in der Übersicht

Sehr geehrte Damen und Herren


Die FDP/Jungfreisinnige-Stadtparlamentsfraktion freut sich, Sie mit der neusten Ausgabe des Waaghaus-Tickers (eigentlich weiterhin Olma-Ticker) bedienen zu dürfen und Sie damit aus liberaler Sicht über die Ergebnisse der Sitzungen des St.Galler Stadtparlaments zu orientieren. Wir wünschen Ihnen viel Spass bei der Lektüre.


Die ausgewählten Ergebnisse der Parlamentssitzung vom 2. November 2021 in der Übersicht:


Initiative für eine zukunftsfähige Mobilität (Zukunfts-Initiative) und Gute-Luft-Initiative – Initiativen gehen zu weit; Gegenvorschläge akzeptabel! Die vorliegende «Zukunfts-Initia-tive» löste in unserer Fraktion einhelliges Kopfschütteln aus. Auch die FDP/JF-Fraktion ist für die Förderung von Fuss-, Velo- und öffentlichem Verkehr, doch die Forderungen in dieser Ini-tiative erachten wir als völlig übertrieben, zu kostspielig und daher als nicht umsetzbar. Mit der Forderung der Reduktion der Strassenfläche um jährlich 0.5% soll einmal mehr der Individu-alverkehr ausgebremst werden. Mit den hehren Zielen einer zukunftsfähigen Mobilität und ei-nes gesunden Stadtklimas hat man in diesen zwei Initiativen Argumente gesammelt, welche Strassenreduktionen rechtfertigen sollen – koste es, was es wolle! Angesichts der prekären finanziellen Situation in unserer Stadt können wir uns jährliche Zusatzkosten auf Grund dieser Begehren von fast CHF Mio. 15.0 und die Schaffung von mehr als 16 Vollzeitstellen schlicht und einfach nicht leisten. Unsere Fraktion hat daher beschlossen, die beiden Initiativen ein-stimmig abzulehnen und im Falle einer Annahme ein Referendum zu unterstützen.


Dabei rennen die Forderungen der Zukunfts-Initiative in unserer Stadt ja offene Türen ein: Erst im März dieses Jahres hat dieses Parlament den stadträtlichen Gegenvorschlag zur «Velo-Initiative» gutgeheissen, welcher eine Erhöhung des Veloanteils am Modalsplitt zum Ziel hat. Weiter wurden umfangreiche Tiefbauprojekte zu Gunsten des Veloverkehrs genehmigt wie z.B. die befahrbare Passerelle beim Bahnhof Bruggen und die Verbreiterung des SBB-Sitter-Viadukts als Schnellverbindung nach Winkeln bzw. Gossau. Auch der öffentliche Verkehr wurde in den letzten Jahren ständig ausgebaut. Ebenfalls zu erwähnen ist, dass auch kleinere Strassenprojekte auf Grund des fehlenden Rahmenkredites bereits in der Liegenschaften- und Baukommission (LBK) bzw. im Parlament behandelt werden. Die aktuell linksgrüne Mehrheit hat somit die Möglichkeit, die Forderungen aus dem Initiativbegehren bei den einzelnen Vor-lagen durchzusetzen, was bekanntlich bei den letzten Strassenvorlagen auch geschah.


Dennoch ist unsere Fraktion bereit, Massnahmen zur Verbesserung des Fuss-, Velo- und öf-fentlichen Verkehrs zu ergreifen. Diese dürfen jedoch nicht dazu führen, dass der Verkehrs-fluss unserer Hauptverkehrsachsen weiter reduziert und die Erreichbarkeit der Stadt einge-schränkt wird.


Der Vorschlag der Liegenschaften- und Baukommission (LBK) geht aus unserer Sicht in die richtige Richtung. Die geforderte Umwandlungsfläche von 120'000 m2 erachteten wir jedoch als zu hoch. Der Stadtrat hat in seinem Gegenvorschlag mit einer Umwandlungsfläche von 95'000 m2 plausibel aufgezeigt, was mit verhältnismässigen Massnahmen zu erreichen ist.
Sowohl die daraus resultierenden Kosten von jährlich CHF Mio. 1.0 als auch eine allfällige Erhöhung von 1.5 Vollzeitstellen erachten wir zwar als hoch, im Sinne der Sache jedoch als vertretbar.


Da der Wortlaut des stadträtlichen Gegenvorschlages formale Ungenauigkeiten aufweist, ha-ben wir einen Gegenvorschlag mit dem Wortlaut des LBK-Gegenvorschlages, jedoch mit der Reduktion der umzuwandelnden Strassenfläche von 120'000 m2 auf 95'000 m2 eingereicht.


Unser Antrag bei der Zukunftsinitiative fand keine Mehrheit – der Gegenvorschlag der LBK obsiegte. Die Initiative wurde abgelehnt.


Auch die Gute-Luft-Initiative ist mit ihren übertriebenen Forderungen für unsere Fraktion nicht umsetzbar und erfährt daher unsere einstimmige Ablehnung. Dieses Parlament ist in jüngster Zeit den Anliegen aus der Initiative bereits stark entgegengekommen und wird dies wohl auch in Zukunft tun.


Unsere Fraktion ist bereit, zusätzliche Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor den ne-gativen Auswirkungen der Klimaerwärmung zu unterstützen und wird daher mehrheitlich den LBK-Gegenvorschlag unterstützen, welcher innert 10 Jahre insgesamt 80'000 m2 versiegelte Fläche von öffentlichem Strassenraum in Flächen für Bäume und Grünflächen umwandeln möchte. Auch hier weisen wir jedoch darauf hin, dass die Reduktion von Strassenflächen nicht dazu führen darf, die Funktion der verkehrsorientierten Haupterschliessungsstrassen zu schwächen. Den Spielraum für Entsiegelungen sehen wir daher primär in Quartierstrassen und neu angelegten Begegnungszonen.


Die Gute-Luft-Initiative wurde ebenfalls abgelehnt und der Gegenvorschlag der LBK angenommen.


Wir erwarten von den Initiativkomitees, dass diese ihre Initiativen innert der 7-Tage-Frist zu Gunsten der beiden Gegenvorschläge zurückziehen. Eine Volksabstimmung wäre dann hinfällig.


Initiative gegen längere Ladenöffnungszeiten – ohne Sonntag OK. Eine weitere Initiative verlangt, dass dem Stadtrat die Kompetenz für die Festlegung der Ladenöffnungszeiten ent-zogen wird. Hintergrund ist der Umstand, dass der Stadtrat aufgrund der Erkenntnisse aus dem Forum «Zukunft St.Galler Innenstadt» beschlossen hat, für einen gewissen Perimeter der Stadt erweiterte Ladenöffnungszeiten zu gewähren (Mo-Sa 06.00 bis 20.00 Uhr und So 10.00 bis 17.00 Uhr).


Für die FDP/JF-Fraktion bräuchte es überhaupt keine Reglementierung – die Situation könnte problemlos dem Markt überlassen werden. Die nötigen Punkte regelt bereits heute das Ar-beitsgesetz. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass das Volk aktuell eine vollständige Liberalisierung nicht wünscht. Die GPK hat daher einen vernünftigen Gegenvorschlag ausge-arbeitet, der die Kompetenzen weiterhin beim Stadtrat belässt und die bereits praktizierten Ladenöffnungszeiten aufnimmt (Kompetenz weiterhin beim Stadtrat; einschränkende Zeiten von Mo-Fr 06.00 bis 20.00 Uhr, Sa 06.00 bis 18.00 und Sonntag keine erweiterten Ladenöff-nungszeiten). Im Sinne eines Kompromisses konnten wir diesem Gegenvorschlag zustimmen.


Das Parlament lehnte die Initiative ab und nahm den Gegenvorschlag an. Auch hier erwarten wir vom Initiativkomitee, dass dieses ihre Initiative innert der Frist von 7 Tagen zu Gunsten des Gegenvorschlages zurückzieht. Eine Volksabstimmung wäre dann hinfällig.


Mehrwertabgabe – kantonales Minimum gefordert. Auf Kantonsebene wurde vom Parla-ment mit einer Mehrwertabgabe von 20% auf eine Neueinzonung das kantonale Minimum im
Rahmen des Bundesrechts beschlossen. Diese Regelung ist aus unserer Sicht rechtlich ab-schliessend und erlaubt den Gemeinden nicht, einfach weitere Mehrwerttatbestände einzuführen.


Eine Mehrwertabgabe ist auf Bundesebene im revidierten Raumplanungsgesetz vorgeschrie-ben und wird entsprechend umgesetzt. Relevant und auf Kantonsebene zu regeln ist deren Höhe sowie die Mittelverwendung durch die öffentliche Hand. Diese Punkte hat der kantonale Gesetzgeber festgelegt. Die Mittelverwendung ist in Art. 64 des Planungs- und Baugesetzes klar und abschliessend geregelt: Der Ertrag der Mehrwertabgabe fliesst zweckgebunden in eine kantonale Spezialfinanzierung. Diese dient zur Deckung der Kosten von raumplaneri-schen Massnahmen von Kanton und politischen Gemeinden und insbesondere für Entschädi-gungszahlungen von politischen Gemeinden als Folge von raumplanungsrechtlich erforderli-chen Auszonungen.

Die Stossrichtung bzw. die Forderung der Motionäre ist aus unserer Sicht überzogen, birgt Gefahren und setzt wohl falsche Anreize. Auch bestehen juristische Vorbehalte, in wie weit dem Stadtrat in dieser Thematik überhaupt Autonomie zusteht.

Um diese Punkte sauber und sorgfältig zu klären, soll der Stadtrat einen entsprechenden Be-richt erstellen – die Motion wurde für erheblich erklärt.

Tempo 30 – aber maximal in Wohnquartieren! Verschiedene Parlamentarier stellten in einer Interpellation verschiedene Fragen zur Umsetzung von Tempo 30. Dass 30er-Zonen in Wohn-quartieren akzeptiert sind, haben wir wiederholt betont und in der Strategie Mobilität 2040 auch von bürgerlicher Seite unterstützt. Was für uns aber unverhandelbar bleibt, sind Verkehrsbe-ruhigungen auf Hauptverkehrsachsen – den Hauptschlagadern unseres Verkehrssystems.

Nicht nur Autos, sondern insbesondere der strassengebundene öffentliche Verkehr auf den Hauptachsen würde verlangsamt. Tempo 30 bremst Busse aus, welche ihre Taktzeiten künftig noch verlässlicher verfehlten. Mit noch langsameren und unattraktiveren Busverbindungen aufgrund von Hauptverkehrsachsen mit Tempo 30 (die Stadt Zürich sammelt dahingehend fleissig Erfahrungen….) wird der Umstieg auf den öV nicht einmal im Schneckentempo gelin-gen.

Wir brauchen in St.Gallen Mobilitätslösungen, welche die besten und sinnvollsten Verkehrs-träger auf den richtigen Strecken richtig einsetzen! Hauptverkehrsachsen haben ihre Funktion zu erfüllen!


Eingereichte Vorstösse durch die FDP-Fraktion (siehe Beilage):
- Cargo sous terrain: Wie will sich die Stadt in dieses innovative Projekt einbringen?
- Gründenmoos: Chance für etwas ganz Grosses


Felix Keller, Fraktionspräsident
Corina Saxer, Mitglied des Stadtparlaments