Sehr geehrte Damen und Herren
Die FDP/Jungfreisinnige-Stadtparlamentsfraktion freut sich, Sie mit der neusten Ausgabe des Waaghaus-Tickers (eigentlich weiterhin Olma-Ticker) bedienen zu dürfen und Sie damit aus liberaler Sicht über die Ergebnisse der Sitzungen des St.Galler Stadtparlaments zu orientieren. Wir wünschen Ihnen viel Spass bei der Lektüre.
Rechnung 2020 – positiv dank einmaligen Ereignissen; Aussichten weiterhin trüb!
Die Rechnung ist zwar (wie immer) Vergangenheitsbewältigung – meistens aber auch ein Indikator für die Zukunft. Aber genau dies trifft auf die Rechnung 2020 der Stadt St.Gallen nicht zu. Mit dem Ertragsüberschuss von CHF 5.83 Mio. anstelle des budgetierten Defizits von CHF 12.1 Mio. könnte man meinen, die Finanzen der Stadt St.Gallen seien im Lot. Es gibt denn auch tatsächlich Parlamentsmitglieder, die glauben, Handlungsbedarf sei nicht ausgewiesen, man könne so wie bisher weiterarbeiten. Aber weit gefehlt! Der Abschluss 2020 ist im Wesentlichen auf Buchgewinne auf dem Finanzvermögen (Verkauf von Liegenschaften) von CHF 20.7 Mio., Mehreinnahmen bei Steuern von CHF 6.3 Mio., Rückstellungsauflösungen von CHF 4.5 Mio. sowie auf die Rückerstattung von anderen Gemeinwesen von CHF 3.1 Mio. zurückzuführen. Kurzum: Alles Ergebnisse, die die Stadt nicht oder nur ganz wenig beeinflussen kann und zum grössten Teil einmalig sind. Das strukturelle Defizit von über CHF 20 Mio. kann dadurch nicht abgebaut werden.
Rechnungslegungstechnisch richtig ist die Abschreibung des Dotationskapitals der Stadtwerke um CHF 15 Mio. sowie die Abschreibung der Beteiligung an den Olma Messen um CHF 4.9 Mio. Diese Kredite sind alles andere als gesichert und beständig.
Absolut positiv wertet die FDP/JF-Fraktion den Umstand, dass auf der Aufwandseite die Konsumausgaben gesenkt wurden. Ein Silberstreifen am Horizont! Für die FDP ist klar, dass weitere Massnahmen folgen müssen. Unsere Hoffnung basiert auf dem Fokus25-Programm. Gemäss Stadtrat (Antwort auf die Einfache Anfrage von Andreas Dudli) prüft er über 140 Massnahmen. Die FDP hofft, dass der Stadtrat die Zeichen der Zeit endlich erkennt und Gegenmassnahmen einleitet – das strukturelle Defizit gewährt keinen weiteren Aufschub. Selbstverständlich muss auch dieses Parlament sich selbst an der Nase nehmen – es darf nicht sein, dass Vorlagen dieses Parlament teurer verlassen als der Stadtrat beantragt hat. Zudem sind nicht alle stadträtlichen Sparbemühungen durch das Parlament zunichte zu machen. Bedauerlich ist hingegen, dass die Investitionsplanungswerte um rund CHF 38 Mio. unterschritten wurden.
Die FDP/JF Fraktion nutzt die Gelegenheit, dem städtischen Personal herzlich für den Einsatz zu danken. Gerade im Corona-Jahr 2020 war es nicht immer einfach – das Personal hat es aber mit Bravour gemeistert!
Mit Blick auf das Budget 2022 hat die FDP/JF Fraktion verschiedene Erwartungen an den Stadtrat und das Stadtparlament. Der Steuerfuss darf nicht nach oben anpasst werden; Massnahmen aus dem Fokus25-Programm sind umzusetzen. Die FDP/JF Fraktion erwartet, dass der Stadtrat einen Stellenausbaustopp einlegt; neue Aufgaben sollen durch Umlagerungen bewältigt werden. Investitionen sollen eine gute Entwicklung der Stadt sicherstellen und auch Steuersubstrat anziehen. Selbstverständlich sind diese zu optimieren und zu priorisieren. Kurzum: Investitionen müssen umsetzbar und finanzierbar sein.
Die Rechnung 2020 sowie die verschiedenen Geschäftsberichte wurden durch das Stadtparlament genehmigt.
Legislaturziele – vage und flau!
Alle vier Jahre präsentiert der Stadtrat seine Legislaturziele; das Stadtparlament nimmt diese lediglich zur Kenntnis. Die FDP-/JF-Fraktion hat sich an ihrer Klausurtagung intensiv mit den Zielen auseinandergesetzt und hätte sich unter anderem auch Aussagen zu folgenden Themen gewünscht:
- Smarte Stadt: Die 5G-Kommunikationstechnologie gehört zu den Schlüsseltechnologien der Zukunft. Viele etablierte und neu entstehende Unternehmen, Universitäten und Fachhochschulen, aber auch die öffentliche Verwaltung sowie letztlich alle Bürgerinnen und Bürger profitieren von der raschen Entwicklung eines leistungsfähigen 5G-Netzes. Der umfassende Durchbruch im Sinne einer landesweiten, flächendeckenden Abdeckung trägt entscheidend zur Sicherung und Fortentwicklung des Innovations- und Wirtschaftsstandorts Schweiz bei. Keine Silbe zur 5G-Technologie in den Legislaturzielen!
- Wirtschaft + Forschung: Ziele zur Entwicklung von St.Fiden und zum dort angestrebten Medicalcluster sind nicht formuliert. Wir sind überzeugt, dass in den nächsten 4 Jahren wichtige Weichen gestellt werden müssen und angestrebten Medicalcluster vermissen diesbezüglich deutliche Aussagen.
- Mobilität: Uns fehlt eine klare Stellungnahme resp. ein Bekenntnis zur Teilspange/3. Röhre; zudem hätten wir gerne Aussagen zum Thema Umladehub gesehen (u.a. Vorbereitung für Cargo Sous Terrain CST).
Wie erwähnt: Das Stadtparlament kann die Legislaturziele nur zur Kenntnis nehmen – dies hat es pflichtbewusst erledigt.
In eigener Sache – Wechsel in der Fraktion
Oskar Seger rückt in den Kantonsrat nach und hat deshalb auf Ende Juli 2021 seinen Rücktritt aus dem Stadtparlament erklärt. Seinen Sitz im Stadtparlament nimmt ab August 2021 Corina Saxer ein. Wir gratulieren Oskar Seger zur neuen Aufgabe und wünschen ihm viel Erfolg und Geschick im Kantonsrat. Mit seiner engagierten Art hat Oskar Seger unsere Fraktion bereichert und verschiedene Geschäfte massgebend begleitet. Die FDP/JF-Fraktion begrüsst Corina Saxer herzlich und freut sich auf die Zusammenarbeit.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen schönen Sommer und würden uns freuen, Sie am FDP-Sommerprogramm zahlreich begrüssen zu dürfen.
Felix Keller, Fraktionspräsident
Elisabeth Zwicky Mosimann, Mitglied des Stadtparlaments