Sehr geehrte Damen und Herren
Die FDP/Jungfreisinnige-Stadtparlamentsfraktion freut sich, Sie mit der neusten Ausgabe des Waaghaus-Tickers (eigentlich weiterhin Olma-Ticker) bedienen zu dürfen und Sie damit aus liberaler Sicht über die Ergebnisse der Sitzungen des St.Galler Stadtparlaments zu orientieren. Wir wünschen Ihnen viel Spass bei der Lektüre.
Die ausgewählten Ergebnisse der Parlamentssitzung vom 7. Dezember 2021 in der Übersicht:
Budget 2022 – Stadtrat nimmt Führungsaufgabe nicht wahr! Das Budget 2022 ist einmal mehr schwer verdaubare Kost. An diesem Budget ist nichts erfreulich: Der Konsum steigt mehr als die Jahresteuerung, die Abschreibungen werden zwar um mehr als die Hälfte reduziert (der Umstellung auf das neue Rechnungslegungsmodell RMSG geschuldet) – und trotzdem: das Defizit von rund CHF 25 Mio. ist rekordhoch. Die FDP/JF-Fraktion hat schon seit vielen Jahren auf das strukturelle Defizit von rund CHF 20 – 30 Mio. hingewiesen. Wenn man das Budget 2022 betrachtet, ist dies dem Stadtrat überhaupt nicht bewusst. Vielmehr hat er die Sparmassnahmen aus dem Budget 2021 zum Teil aufgehoben – erwähnt sei hier als Beispiel der Einstellungsstopp für 6 Monate nach einer Kündigung. Unterhaltsam wird es, wenn der Stadtrat zu den Entlastungsmassnahmen zum Budget 2022 in der Budgetmedienkonferenz Folgendes festhält: Entnahme von Vorfinanzierung von CHF 10,6 Mio. und beim Aufwand Plafonierung von Leistungsprämien auf CHF 300‘000 oder Plafonierung der Reisekosten und Spesen auf CHF 700‘000. Das ist alles! Wir werden den Eindruck nicht los, dass der Stadtrat unsere Stadt finanztechnisch an die Wand fahren möchte.
Es ist uns bewusst, dass der Stadtrat gegen die steigenden Transferausgaben nicht wirklich viel tun kann (dieser Betrag steigt gemäss Budget nur um 0,1%) – aber in den Bereichen, wo er etwas tun kann, verweigert er schlicht und ergreifend die Arbeit. Der Personalaufwand steigt um CHF 12,4 Mio. oder um 4,7%. Es werden munter neue Stellen geschaffen und wir sprechen nicht von den Stellen, die das Parlament genehmigt hat. Auch hier fordern wir schon lange: jegliche Aufgabenerfüllung muss überprüft werden: Werden die richtigen Ressourcen eingesetzt? Werden die Aufgaben zielgerichtet wahrgenommen? Müssen die Aufgaben noch wahrgenommen werden? Dies wird aber nicht gemacht – auch das Parlament tut sich diesbezüglich schwer. Frei nach dem Motto: Eine Stelle bei der Stadt ist für alle Ewigkeit geschaffen. Die FDP/JF-Fraktion hat schon vor einigen Jahren diesbezüglich einen Vorstoss eingereicht – leider ohne Erfolg! Der Stadtrat muss endlich seine Führungsaufgabe wahrnehmen!
Der Stadtrat plant weiter Investitionen in Rekordhöhe. Nettoinvestitionen von CHF 70,1 Mio. sollen es sein. Die FDP/JF-Fraktion hat bereits vor Langem diese grossen Investitionssummen immer wieder angeprangert mit dem Hinweis, dass unser strukturelles Defizit derart üppige Investitionen nicht mehr verträgt. Offensichtlich haben diese Hinweise nicht gefruchtet. Der Selbstfinanzierungsgrad landet noch bei 2,5% (Vorjahr 26.7%). Es bräuchte eigentlich keine Erläuterung und wir sagen es dennoch in absoluter Deutlichkeit: Die Stadt St. Gallen verkraftet finanziell eine derart hohe Investitionslast nicht mehr! Wir leben auf Pump (die Verschuldung soll um netto CHF 68,3 Mio. steigen) und wir fügen uns wie auch den nachfolgenden Generationen Schaden zu, wenn wir uns hier nicht selbst massregeln! Der Stadtrat muss eine Priorisierung bei den Investitionen vornehmen – «must have» vor «nice to have»!
Und nun noch etwas, was wir allenfalls an einem Humorfestival hören würden: Im Rahmen der Investitionen äussert sich der Stadtrat in seinem Bericht doch tatsächlich wie folgt: „Aufgrund bisheriger Erfahrungen kann aber davon ausgegangen werden, dass das geplante Investitionsvolumen mit den vorhandenen Ressourcen nicht voll ausgeschöpft werden kann.“
Unsere und andere Fraktionen weisen schon seit geraumer Zeit darauf hin, dass die Investitionen stets zu hoch budgetiert werden und künftig auf ein realistisches Mass reduziert werden sollten. Der Stadtrat ist von dieser Kritik offenbar wenig beeindruckt, er fährt mit seinem unrealistischen Wunsch-Investitionsplan fort. Dass er nun selbst zugibt, dass seine Investitionen wiederum zu hoch angesetzt sind, ist ein Schlag ins Gesicht des Parlaments. Die finanzielle Führung unserer Stadt hat sich definitiv verabschiedet.
Für uns ist klar: Eine Erhöhung des Steuerfusses kommt auch in diesem Jahr nicht in Frage. Der Stadtrat muss endlich sparen und nicht die Einnahmen steigern. Die Stadt hat auch kein Einnahmenproblem – sondern ein Ausgabenproblem. Für das Budget 2022 erhält der Stadtrat maximal die Note „ungenügend“.
Die FDP/JF-Fraktion bedankt sich beim Personal für die Arbeit, die sehr geschätzt wird. Sie wird als äusserst professionell wahrgenommen. Wir halten fest: Für das Budget ist der Stadtrat verantwortlich und nicht das Personal!
Die Kürzungsanträge der GPK unterstützten wir und das Budget 2022 wurde schlussendlich mit gleichbleibendem Steuerfuss durch das Stadtparlament verabschiedet.
Gönnen wir uns zum Jahresende einen Moment Ruhe, um die Kräfte zu bündeln und im kommenden Jahr erfolgreich zu starten. In diesem Sinne wünschen wir eine besinnliche Weihnachtszeit, einen beschwingten Rutsch ins neue Jahr sowie ein erfolgreiches und gesundes 2022.
Felix Keller, Fraktionspräsident
Elisabeth Zwicky Mosimann, Mitglied des Stadtparlaments