Septembersitzung des Stadtparlaments

Es grünt so grün…:

Zu Beginn der letzten ordentlichen Sitzung vor der OLMA-Pause ist das St.Galler Stadtparlament auf grünen Pfaden gewandelt. Das erste Traktandum behandelte die geplante Einführung einer Grünabfuhr (Wortspiele im Zusammenhang mit dem Ausgang der Eidgenössischen Wahlen vom 18. Oktober sind selbstverständlich rein zufällig und nicht beabsichtigt). Offenbar verschwinden in St.Gallen – anders als vergleichbaren Schweizer Städten –  Grün- und biologische Haushaltabfälle noch immer zu einem wesentlichen Teil im grünen Kehrichtsack und damit in der Kehrichtverbrennungsanlage im Sittertobel. Dass dies wenig ökologisch ist, war über die Parteigrenzen hinweg unbestritten, ebenso die Tatsache, dass es durchaus bessere Alternativen gibt, diese natürlichen Ressourcen zu verwerten. Die Einführung einer separaten Grünabfuhr wirft aus liberaler Sicht allerdings einige Fragen auf. Es verwundert nicht, dass innerhalb der Fraktion heftig um die Positionierung gerungen worden ist. Es ist absehbar, dass die Einführung einer städtischen Grünabfuhr eine Kampagne mit erzieherischem Anspruch nach sich ziehen wird. Konsequenterweise stellt sich damit die Frage nach der Vollkostenrechnung. Zudem macht der städtische Service manchenorts funktionierende „Quartierkompostplätze“ überflüssig. Das Engagement freiwilliger Helfer wird untergraben, ebenso bedarf es der (Gratis?)-Verteilung von rund 11‘000 Bio-Kübeln an die Bevölkerung sowie das Aufstellen von rund 2‘300 Grüngutcontainern, die ihrerseits einer regelmässigen Reinigung unterzogen werden müssen. Kurzum: Das ist der Stoff für nächtelange liberale Diskurse auf kommunaler Ebene. Der zuständige SP-Stadtrat Peter Jans warf sich gestern im wahrsten Sinne des Wortes ein grünes Hemd über; er verteidigte das Vorhaben im Parlament – und setzte sich schliesslich durch. Auch die FDP-Fraktion votierte zum Schluss für das Projekt. Wir verstehen das „Grundrauschen“ in der Bevölkerung, wonach eine Grünabfuhr heute offenbar zum Service Public gehört. Wir werden allerdings genau hinschauen, ob all das, was uns gestern mit blumigen Worten versprochen worden ist, auch eingehalten wird. Andernfalls werden wir den entsprechenden Komposthaufen eigenhändig umgraben.

Was lange grünt…:

Würden Vorstösse verrotten, das Postulat von Jennifer Deuel mit dem Titel „Integrierte Schülerinnen- und Schülerförderung – was bewirkt sie?“ hätte dieses Schicksal wohl ereilt. Geschlagene sieben (!) Jahre dauerte es bis zur Beantwortung der offenen Fragen. Da hilft wenig, dass Stadtrat Buschor sich mit den Worten entschuldigte, er sei vor sieben Jahren noch nicht zuständiger Vorstand der Direktion Schule und Sport gewesen. Herr Buschor: Drei Jahre sind auch nicht besonders schnell…

Abstimmungsanlage:

Marsch! Manchmal diskutiert das Parlament kuriose Dinge. So reichte die SP vor einiger Zeit ein Postulat mit dem vielsagenden Titel „Für ein demokratischeres Stadtparlament dank mehr Transparenz!“ ein. Inhaltlich forderte sie die Beschaffung einer elektronischen Abstimmungsanlage. Begründung: Ohne eine solche Anlage ist das Parlament wenig demokratisch bzw. transparent. Aus Sicht der FDP ist dies ausgekochter Unsinn, denn mit „mehr Demokratie“ oder „Transparenz“ hat das wenig zu tun. Was wir im Parlament tun, ist transparent und kann vom Bürger von der Tribüne aus live verfolgt werden. Die Abstimmungen sind zwar oft etwas chaotisch, entbehren aber nicht einer gewissen humoristischen Note. Aus unserer Sicht ist das SP-Postulat wenig substantiell, doch gibt es immerhin Anstoss für gleich zwei eigene Vorstösse, die wir auf der bürgerlichen Seite nun einbringen. Zum Einen stellen wir zur Diskussion, das Stadtparlament in den sehr repräsentativen Kantonsratssaal zu verlegen (Postulat „Pfalz der Politik!“). Zum Anderen lancieren wir die Idee, das Waaghaus einer neuen Nutzung zuzuführen: Im Erdgeschoss könnte ein ständiger Markt eingerichtet werden, im Obergeschoss liesse sich eine kulinarische und/oder kulturelle Nutzung realisieren. Im „Taubenloch“ unter dem Blumenmarkt könnten schliesslich Veranstaltungen stattfinden, die bislang im Waaghaus Unterschlupf gefunden haben. Mit dem Postulat „Waaghaus und Taubenloch fürs Volk!“ lancieren wir die festgefahrene Diskussion rund um die Neugestaltung des Marktplatzes/Bohls neu. Das ist letztlich viel bedeutender als die Abstimmungsanlage für 20‘000 Franken, die das Parlament gestern beschlossen hat. Angesichts der erwähnten Vorstösse wird sich der Stadtrat gut überlegen, ob er diese Anschaffung tatsächlich schon per 1.1.16 verantworten kann. Wir werden sehr genau hinschauen.

Natur und Kunst:

Zu einem heftigen Schlagabtausch entlang nicht üblicher Sollbruchstellen führten die verschiedenen Anträge zu Subventionserhöhungen für das Natur- sowie das Kunstmuseum. Während die zusätzlichen Mittel für das Naturmuseum parteiübergreifend unbestritten waren, entzündete sich die Diskussion an den Anträgen für die Kunst. Kritiker geisselten das „elitäre“ Kunstgebaren und forderten eine viel populärere Vermittlung von „Kunst“. Die  Befürworter ihrerseits stimmten das hohe Lied auf die Kulturstadt St.Gallen an. Das Kunstmuseum wandelte sich dabei zum „Leuchtturm“, auf den man nicht verzichten könne und der eine grosse Ausstrahlung auf unsere Stadt ausübe. Die Positionen standen sich weitgehend unversöhnlich gegenüber. Fairerweise sei an dieser Stelle gesagt, dass auch die FDP-Fraktion uneins war und der von Amtes wegen referierende Stadtpräsident Thomas Scheitlin so manchen Bürgerlichen ins Grübeln brachte. Er spannte den Bogen vom geschichtlichen Ursprung der Museen („Mitbringsel“ der grossen, bürgerlichen Textilreisenden unserer Stadt) zur Gegenwart und plädierte für genügend Mittel im Wettstreit mit den Konkurrenten in Zürich, Vaduz oder Bregenz. Der Kürzungsantrag der Mittel um 300‘000 Franken scheiterte letztlich nach einer krimimässigen Auszählung der Stimmen knapp. Die Debatte wird sich fortsetzen, denn am Horizont zeichnen sich schon heute die Diskussionen um die Sanierung des Kunkler-Baus (Kunstmuseum) sowie des Kirchhofer Hauses ab, bei denen es dann um Millioneninvestitionen geht.