Oktobersitzung des Stadtparlaments

Vor lauter Bäume den Wald nicht sehen …:

Die OLMA ist vorbei – das letzte Quartal 2017 steht an … und in zwei Monaten feiern wir schon wieder Weihnachten! Die „Aufräumsitzung“ des Stadtparlaments hat mit einem vermeintlich harmlosen Traktandum nicht gerade weihnachtlich begonnen: dem Projekt zum Ausbau der Frohbergstrasse von der Rorschacher Strasse bis zur Steinachstrasse. Oder einfacher: es geht um den Ausbau der Zufahrt zur geplanten zentralen Notfallaufnahme des Kantonsspitals und zur geplanten Tiefgarage mit 500 Plätzen. Das Vorhaben schlägt mit stolzen 2’042’000 Franken zu Buche – und fand auf der grünen Seite unseres Parlaments prompt gar keine Freunde. Der Fraktionschef der Grünliberalen, Daniel Rüttimann, kritisierte allerdings nicht die Kosten, sondern – getreu seinen Parteifarben – , dass «gerüchteweise» von umfangreichen Baumfällungen die Rede sei und überdies die Busspur wegfalle. Und Beatrice Truniger (SP/JUSO/PFG) zeigte sich auch wenig begeistert, vermisste das Trottoir und forderte Verbesserung für die Velofahrenden und die «zu Fuss Gehenden» («Fussgänger» sind offensichtlich out …). Die zuständige Stadträtin Maria Pappa bemühte sich sichtlich darum, buchstäblich Ordnung in den Wald zu bringen und erläuterte beinahe Baum für Baum, was geplant und insbesondere, was letztlich halt unumgänglich sei. Anzumerken ist: ob all der Bäume haben die Wortführer auf der grün-linken Seite offensichtlich den Wald aus den Augen verloren. Oder anders gesagt: das Projekt steht in einem wesentlich grösseren Zusammenhang, nämlich dem milliardenteuren (und vom Souverän notabene angenommenen) Ausbau der Spitalinfrastruktur auf dem Areal des Kantonsspitals. Offen gesagt nehme ich in Kauf, dass es einen Baum weniger auf meiner Strecke in den Notfall hat, wenn ich nur unfallfrei und rasch zu medizinischer Versorgung komme, wenn ich sie dann nötig habe …
Tröstlich immerhin: Das Parlament hat der kleinkarierten Kritik von grün-linker Seite offensichtlich auch wenig abgewinnen können: die Vorlage wurde mit 53 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen klar angenommen.

Um Leben und Tod:

Nachdem die Stiftung Krematorium auf dem Gelände des Friedhofs Feldli einen städtebaulich imposanten Neubau realisieren konnte, sind die bestehenden Gebäude im nordwestlichen Bereich des Friedhofgeländes frei geworden für neue Nutzungen. Dies betrifft auch die technischen Anlagen des alten Krematoriums, die sehr verwinkelt und namentlich für die Wartungsarbeiten schwer zugänglich im Untergeschoss eingebaut sind. Diese, zusammen mit Lagerräumen, Büros und teilweise auch Aufbahrungsräumen, sollen nun zurückgebaut werden. Es entstehen neue Räumlichkeiten für die Bedürfnisse des Friedhofs und für würdige Bestattungen und Beisetzungen. Zum Leben gehört auch der Tod. Und zu einem Gemeinwesen gehören auch solche Dienstleistungen. Das Parlament sieht das gleich und genehmigt den Verpflichtungskredit einstimmig.

Schilda im Espenmoos:

Das nächste Traktandum hat zu einer epischen Diskussion geführt. Die Stadt will – oder besser – muss die Zuschauertribüne des guten alten Espenmoos-Stadions für fast 2.3 Mio. Franken sanieren; notwendig wird dies, da sich gezeigt hat, dass die Betontragkonstruktion dringend sanierungsbedürftig ist und überdies akute Sicherheitsmängel bestehen (Absturzsicherung der Glaswand an der Rückseite der Tribüne, Fluchtwegproblematik). Die zuständige Kommission hat nach zwei Lesungen und einem Augenschein vor Ort mehrheitlich der ursprünglichen Vorlage zugestimmt, wie sie dem Parlament nun präsentiert wurde. Auslöser der langen Diskussionen war die Anzahl der Sitzplätze. Die Stadt sowie die Bau- und Liegenschaften Kommission will 2000 Sitzplätze unterhalten und renovieren, die SVP-Fraktion stellte Antrag, dies nur für 300 Sitzplätze zu tun. Der Rest der Tribüne müsste dann folgerichtig «gestalterisch» abgesperrt werden. Nun: offensichtlich haben wir es hier mit einem gewissen Dilemma zu tun: Die Stadt will mehr publikumswirksame Breitensportanlässe veranstalten, scheitert aber an der notwendigen Infrastruktur, weshalb man auch kaum Interessenten findet – dies wiederum lässt die SVP folgern, dass eine Renovation von 2000 Sitzplätzen unnötig sei und deshalb eine satte Million Franken eingespart werden könnte. Im Rat kam es darauf hin zu einer Art öffentlicher SP-Fraktionssitzung etwa zwischen Schalensitzplatz-Nostalgikern (SP-Vertreter Kehl) und ehemaligen Anwohnern des Espenmoos (SP-Etrit-Hasler). Und Peter Olibet gestand freimütig ein, dass er nicht wisse, wie seine Fraktion zum SVP-Antrag stehen würde. Heini Seger, der den SVP-Antrag im Rat einbrachte, stellte die Frage des Abends: warum votiert Peter Olibet für Sitzplätze, wenn er lieber steht?
Wie dem auch sei, aus unserer Sicht ist klar: wir stehen hinter der Sanierungsvorlage und zwar ohne Abstriche, wie FDP-Vertreter Werner Kühne deutlich machte. Denn eine bloss teilweise Sanierung hätte das Problem letztlich nur aufgeschoben, überdies wäre es eine halbherzige und nicht konsequente Lösung. Entweder wollen wir das traditionsreiche Espenmoos-Stadion erhalten, dann muss man aber auch die notwendigen Unterhaltsarbeiten akzeptieren. Oder man bricht diese Tribüne ab und erstellt einen funktionalen und dann wohl auch kleineren Neubau. Das Parlament gab der stadträtlichen Vorlage mit 40 zu 10 Stimmen bei 8 Enthaltungen den Vorzug.

Dörf’s äs bitzeli meh sih??

Dieses Motto ist für die im Parlament bisweilen penetrant auftretenden velofreundlichen Kräfte unserer Stadt wohl Programm. Denn sie monieren mit konstanter Hartnäckigkeit, dass die Stadt viel zu wenig tue für die Velofahrer. Und nicht nur das: obgleich die entsprechenden Kredite in den Jahren 2012 bis 2014 und dann 2015 bis 2017 jeweils nicht voll ausgeschöpft wurden, setzten die links-grüne Vertreter in der Liegenschaften- und Baukommission sogar noch einen drauf: sie stockten den bereits beantragten Kredit von 450’000 Franken um weitere 150’000 Franken auf für «Sofortmassnahmen im Fuss- und Veloverkehr für die Jahre 2018-2020». Böse Zungen behaupten, es gebe in der Stadt ohnehin nur Langsamverkehr … aber lassen wir das. Aus liberaler Sicht lehnen wir die hier gezeigte Grundhaltung («dörf’s äs bitzeli meh sih?») entschieden ab, wie FDP-Vertreter Karl Schimke (nicht «Schminke», lieber Thomas Brunner …) deutlich darlegte. Wortreich bemühte sich etwa Beatrice Truniger (SP) darum, das bestehende Velonetz der Stadt in dramatischen Farben schlecht zu reden, weil eigentlich niemand so richtig weiss, weshalb die ursprünglich beantragten 450’000 Franken nicht reichen sollten. Hauchdünn sprach sich das Parlament in der Folge für den erhöhten Kredit von 600’000 Franken aus, was wir bedauern.

Bist du nicht willig:

Seit dem Jahr 2006 leisten wir uns in der Stadt – gegen unsere damaligen Stimmen – das Partizipationsreglement. Ausfluss dieses Reglements ist u. a., dass Jugendliche sowie die Dachorganisation der Migrantinnen und Migranten ermächtigt wurden, Vorstösse zu Sachverhalten des städtischen Lebens beim Stadtparlament einzureichen. Allein, Gebrauch macht seither kaum jemand davon, um es vorsichtig auszudrücken. Unter dem wohltönenden Titel «Quartierdemokratie stärken» stellten zwei SP-Vertreter Fragen nach der Partizipation der Quartierbevölkerung, «die nicht in Quartiervereinen engagiert sind», nach vermehrten «Informations- und Austauschveranstaltungen mit direkter Einladung der Quartierbewohner»  und nach Verfahren zur Einholung der Meinung und der Anliegen der Bevölkerung. Der Stadtrat tut, wie ihm geheissen und beantwortet die Fragen geduldig und auch nachvollziehbar. Allerdings: aus unserer liberalen Sicht fehlt uns jegliches Verständnis für die Grundhaltung, die uns hier seitens der Interpellanten entgegenschlägt. Offensichtlich muss man die Bevölkerung geradezu zur Partizipation zwingen, auch wenn sie das gar nicht will, siehe eingangs erwähntes Beispiel. Zu einer Demokratie gehört es, sich auch nicht beteiligen zu können. Überdies bauen wir auf die Selbstverantwortung. Ich will nicht ständig – staatlich organisiert – eingeladen und informiert werden. Wir meinen, dass sich jene Teile der Bevölkerung, die das wollen, engagieren und sich auch aktiv informieren sollen. Die Quartierdemokratie muss aber in keiner Weise gestärkt werden. Es gibt sie, wenn man nur will!

In eigener Sache:

Ausser unserer geliebten OLMA-Bratwurst (und ähnlichen Erzeugnissen) hat bekanntlich alles ein Ende. Entsprechend werde ich mich per Ende November 2017 nach über knapp 17 Jahren aus dem Stadtparlament zurückziehen und neuen Kräften Platz machen. Ich habe in den vergangenen Jahren mit viel Freude versucht, unseren liberalen Standpunkt auf den Punkt zu bringen und mir erlaubt, das Geschehen im Waaghaus mit spitzer, bisweilen auch nicht so ernst gemeinter Feder, zeitnah zu kommentieren. Nachdem dieser Waaghausticker zunächst nur Partei intern verbreitet wurde, haben wir uns vor einiger Zeit entschieden, ihn auch den Medien zur Verfügung zu stellen und auf der Website zu veröffentlichen. Das Echo auf diese Zeilen war meist positiv und freundlich – besten Dank! Meinen letzten Ticker werden Sie nach der Novembersitzung lesen können! Danke für Ihr Interesse!