Märzsitzung des Stadtparlaments

Fredy zum Ersten

Gewiss, das Attribut „historisch“ begegnet uns in der täglichen Medienflut in inflationärer Art und Weise. Und doch gibt es sie eben: jene Ereignisse, die „geschichtsträchtig“ und somit geeignet sind, um in die Annalen einzugehen. Dazu gehört mit Sicherheit der Abgang eines Stadtvaters, wie Fredy Brunner einer ist. Am gestrigen Dienstag tagte das Stadtparlament ein letztes Mal mit ihm in seiner Funktion als Direktor der technischen Betriebe und als Stadtrat. Da sass er wie immer. Präsent, aufmerksam, engagiert und sympathisch. Fortsetzung folgt… weiter unten!

Ersatz durch sich selbst

Nicht historisch, doch immerhin bemerkenswert gestaltete sich das erste Traktandum dieser März-Sitzung. Nach dem Rücktritt von CVP-Mann Philip Schneider musste dessen dem Parlament zustehender Sitz im Verwaltungsrat der SN Energie neu besetzt werden. Und weil es so schön war, schlug die CVP kurzerhand vor, Philip Schneider durch Philip Schneider zu ersetzen. Tatsächlich gibt es gute Gründe für dieses unorthodoxe Vorgehen. So garantiert es eine gewisse Kontinuität, nachdem der Verwaltungsrat schon durch den Abgang des Präsidenten (Stadtrat Fredy Brunner) „geschwächt“ wird und der übrige Verwaltungsrat aus mehrheitlich frisch gewählten Mitgliedern besteht. Das Parlament winkte den CVP-Wahlantrag schliesslich durch – auch mit unseren Stimmen. Die FDP liess es sich indes nicht nehmen, die Problematik kurz anzusprechen. Unserer Meinung nach sollte das Parlament wenn immer möglich aktive Mitglieder aus seinen Reihen in den Verwaltungsrat entsenden, denn sie vertreten dort das Parlament und damit mittelbar das Volk. Auch haben wir darauf hingewiesen, dass sich durch die personelle Veränderung im Stadtrat auch in anderen Gremien nun eine eigentlich nicht geplante „politische Kräfteverschiebung“ abzeichnet. Verschiedene Positionen, die bislang durch den FDP-Vertreter Fredy Brunner besetzt wurden, werden nun automatisch vom neu gewählten SP-Stadtrat Peter Jans bekleidet. Wir haben auf die „Nacht der langen Messer“ verwiesen, jenes legendenträchtige Treffen kurz nach den Wahlen, bei dem die Fraktionspräsidenten sämtliche „Ämtli“ ausjassen, die es zu besetzen gilt. Allerdings findet die nächste Ausmarchung erst im Spätherbst 2016 statt.

 Fremdwort Selbstverantwortung

Wie im täglichen Leben, so erweist sich auch im Parlament immer wieder, dass man sich gegenseitig oft nicht richtig zuhört. Auf taube Ohren stösst ganz besonders – auch das ist ein sich wiederholendes Muster – das Wort „Selbstverantwortung“. Im Zusammenhang mit der Weiterführung der offenen Arbeit mit Kindern in der Stadt haben auch wir sowohl die Arbeit des Jugendsekretariats wie auch der privaten Organisationen der Stiftung „Villa YoYo“ und des Vereins „tiRumpel“ ausdrücklich gelobt. Unserer liberalen Tradition verpflichtet haben wir uns aber „erfrecht“, von den Nutzniessern der erbrachten Leistungen ein gewisses Mass an Selbstverantwortung einzufordern. Als einzige Fraktion im Rat wollte die FDP die Vorlage an den Stadtrat zurückweisen, verbunden mit dem Auftrag, eine Kostenbeteiligung der Eltern und auch Dritter zu prüfen. Angesichts der jährlich wiederkehrenden Kosten von über einer Million Franken pro Jahr wirkt diese Forderung gar nicht so unverschämt. Auch die FDP-Fraktion ist sich bewusst, dass die offene Arbeit mit Kindern zur gesellschaftlichen Integration beitragen kann und für viele mehrfach benachteiligte Kinder einen echten und nachhaltigen Mehrwert schafft. Und auch wir wissen, dass diese niederschwelligen Angebote wenn möglich kostenlos sein sollten, da sie sonst oft gar nicht erst beansprucht werden und ihr Ziel somit verfehlen. Nachdenklich stimmt aber die Tatsache, dass die grosse Mehrheit des Parlaments nicht einmal prüfen will, ob es eventuell günstigere und selbstverantwortlichere Lösungen gäbe. Die (ebenfalls ablehnende) CVP brachte immerhin den bedenkenswerten Vorschlag ein, vermehrt auch Senioren für Betreuungsaufgaben zu engagieren. Stadtrat Buschor versprach, wenigstens diese Idee aufzunehmen und weiterzuverfolgen. Dies, bevor unser Rückweisungsantrag abgeschmettert wurde.

 Fredy zum Zweiten

Es folgten zwei Vorlagen, in denen Fredy Brunner nochmals auftrumpfen konnte bzw. die (meist linken) Parlamentarier wieder auf den Boden der Tatsachen holen musste. Sowohl bei der Vorlage zur Kompetenzregelung für die Energiebeschaffung (einem Nachtrag zur Gemeindeordnung) wie auch beim Stadtwerkereglement zog der scheidende Magistrat nochmals alle Register und wusste rundum zu überzeugen. Der SVP wiederum musste er den Unterschied zwischen Abschlussbuchung und Budget erklären; und nach einem kurzen Schlagabtausch mit der SP ging er auch aus dieser Redeschlacht siegreich hervor und brachte somit sein letztes Parlamentsgeschäft erfolgreich zu Ende. Wir gratulieren!

 Fredy zum Dritten

Man muss rechtzeitig anfangen, aufzuhören. Und auch wenn es Fredy Brunner nicht leicht gefallen ist, er hat den Schritt getan nach einer aussergewöhnlichen und wohl auch ausserordentlichen Zeit im Stadtrat. Seine Abschiedsrede begann er mit einem Blick aufs Meer und auf einen Leuchtturm, den er zu Beginn seiner Amtszeit vor Augen hatte. Seine Vorurteile gegenüber der Verwaltung revidierte er sehr schnell. Parlament, Stadtrat und Verwaltung wären eigentlich, so Brunner, die „Selbsthilfeorganisation der Verwaltung“. Er habe immer versucht, Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass weitere Entwicklungen und Innovationen möglich bleiben. Er dankte schliesslich, dass er so sein durfte, wie er ist. Und wir danken, dass er so war, wie er war. Und hoffentlich auch bleibt.

 Fredy zum Letzten

Die Fraktionspräsidentin der Grünen, Cécile Federer, wollte Danke sagen, und fragte sich, wie? Mit einer Ehrenmitgliedschaft bei den Grünen? Sie konstatierte, dass die Grünen so oft auf Brunners Seite waren, dass sie sich bisweilen fragte, ob die Grünen schon bürgerlich geworden seien. Nun denn, die Perspektiven sind manchmal halt unterschiedlich. Sie überreichte dem Abtretenden zum Dank einen rosaroten Blumenstrauss (grüne sind selten…) und einen kleinen Bohrer. Dani Kehl, Fraktionspräsident der SP, lobte Fredy Brunner für seine Leistungen im Energiebereich. Mit einer „roten, stacheligen“ Rose dankte er ihm dafür, dass Peter Jans eine gut aufgestellte Direktion übernehmen darf.

Wir werden die markante Stimme unseres „Partei-Gallus“ vermissen. Gleichzeitig sind wir dankbar, dass ein weiterer Kopf dem Freisinn ein markantes Profil verliehen und unsere Stadt in vielerlei Hinsicht nachhaltig geprägt hat. Danke, lieber Fredy … und alles Gute!