Märzsitzung des Stadtparlaments

Von potenziellen Pferdedieben:

Das Stadtparlament hat gestern zum 40. mal in der laufenden Legislatur getagt und dabei einmal mehr ein Mitglied aus seinen Reihen verabschieden müssen. Dies in der Person von Cécile Federer, ihres Zeichens Fraktionschefin der Grünen, der jungen Grünen und der Grünliberalen. Sie hat sich altershalber nach über 5 Jahren zum Rücktritt entschieden. Ratspräsident Heini Seger (SVP) hat die verdiente Politikerin mit warmen Worten verabschiedet und ihr auch – eher unüblich bislang – ein kleines Präsent überreicht. Eine sympathische Geste über die Parteigrenzen hinweg, die wir in der Politik eigentlich viel zu selten erleben. Heini Seger verriet dabei, dass man mit Cécile Federer „Pferde stehlen“ könne… Woher er das wohl weiss? Wir wünschen Cécile Federer einen spannenden neuen Lebensabschnitt und danken ihr an dieser Stelle – auch dies über die Parteigrenzen hinweg – für die Zusammenarbeit und spannende politische Diskussionen.

Von Büchern und Heften:

Das erste substanzielle Traktandum betraf den 80 Seiten starken Postulatsbericht mit dem Titel „Sozialhilfe in der Stadt St.Gallen – ein breiter Fächer wichtiger Fragen“. Das fast schon rekordverdächtige „Buch“ ist die Antwort auf einen vor gut einem Jahr eingereichten Vorstoss aus den Reihen von CVP, GLP und FDP. Das Werk hat über alle Parteien hinweg Anerkennung gefunden und darf auch als eine Art Rechenschaftsbericht verstanden werden, wie der Stadtrat selber schreibt. Das umfangreiche Papier ist entsprechend informativ und spannt den jenen weiten Bogen, den es in diesem Thema zu spannen gibt. Politisch interessant ist die Sozialhilfe allemal. Politisch mindestens so spannend ist allerdings eine andere Frage: Die SVP hatte zwei Monate nach dem Postulat und mit nur gerade sechs Unterschriften einen Vorstoss zur gleichen Thematik eingereicht. Dieser Vorstoss umfasst weit über 100 (!) Fragen, die sich teilweise mit jenen Fragen decken, die bereits im ersten Postulat gestellt wurden. Die Absicht der SVP bleibt auch nach der Diskussion im Parlament schleierhaft. Der Stadtrat sah sich vor die heikle Aufgabe gestellt, mit dieser Thematik umzugehen. Er hat einen aus unserer Sicht guten Pfad beschritten, indem er im 80-seitigen „Buch“ ausdrücklich auch auf das SVP-Postulat Bezug nimmt und überdies ein im Vergleich dazu eigenes „Heft“ verfasst hat, in dem er auf 10 Seiten wesentliche Fragen aufnimmt und beantwortet, im Übrigen aber auf das Buch verweist. Die SVP-Vertreter haben wortreich den auf den ersten Blick nicht ganz von den Hand zu weisenden Verdacht zu zerstreuen versucht, sie verfolgten mit ihrem Vorgehen eine eigene Agenda, zumal die SVP die Sozialhilfe politisch ja insbesondere auf nationaler Ebene laufend bewirtschaftet. Wie dem auch sei: Die SVP unterstellt dem Stadtrat eine Art Kabinettspolitik. Er halte mit wesentlichen Antworten hinter dem Berg zurück, da diese für die Öffentlichkeit schlicht zu brisant seien. Diese „Verschwörungstheorie“ erscheint uns – mit Verlaub – an den Haaren herbeigezogen, gerade wenn man das erwähnte „Buch“ studiert, das in aller Transparenz die Sachverhalte darlegt. Und dass ausgerechnet die SVP mit dem Öffentlichkeitsgesetz argumentiert, ist dann doch etwas gar starker Tabak. Kurz und gut: Stadtrat Cozzio hat in seiner ausführlichen Stellungnahme eine klare Linie gezogen und verschiedene Fragen der SVP aus Persönlichkeitsschutz- und Datenschutzgründen zurückgewiesen. Für uns und die Mehrheit des Parlaments ist dies durchaus nachvollziehbar.

Von Vorlagen, zu denen man eigentlich nichts zu sagen hat:

Das nächste Traktandum war ein eigentliches Unding. Das Parlament hatte über einen Verpflichtungskredit (als gebundene Ausgabe!) zu befinden, mit dem der städtische Kostenanteil an einem kantonalen Strassenbauprojekt über Fr. 1.03 Mio „zustimmend zur Kenntnis genommen wurde“. Pikant daran ist, dass die Kenntnisnahme des Stadtparlaments im konkreten Fall irrelavant ist. Denn auch wenn der Rat nicht einverstanden gewesen wäre, so würde die Stadt dennoch eine entsprechende Rechnung erhalten. Und die Steuerzahler hätten diese auf jeden Fall zu begleichen. Noch absurder wird es, wenn man sich vor Augen führt, dass dieser Beschluss des Parlaments dem fakultativen Referendum untersteht. Damit könnte auch Volk theoretisch Nein sagen – was aber ebenfalls keine Folgen hätte. Verstehe dies, wer es mag. In der Sache geht es um einen Ausbau der Geissberg- bzw. der Bildstrasse im Westen der Stadt. Neben einer zusätzlichen linksabbiegenden Fahrspur Richtung „Interio-Kreisel“ werden Busspuren verlängert und auch Massnahmen für den Langsamverkehr ergriffen. Das Parlament hat dem Geschäft zugestimmt  und sich damit schwierige Diskussionen erspart. Der Automobilist, Busbenutzer und auch Velofahrer werden in einigen Monaten dann das Ergebnis befahren können.

Von ideologischen Scheuklappen:

Und schliesslich hat das Parlament wieder einmal die ideologischen Scheuklappen montiert – frei nach dem Motto: Was nicht sein darf, das kann nicht sein. FDP-Präsident Andreas Dudli reichte ein Postulat zum „Umgang mit unternehmerischen Risiken bei der Energiebeschaffung in den sgsw“ ein – und wurde prompt von der linken Seite unter Generalverdacht gestellt. Das „Privatisierungsgespenst“ geisterte durch die linken Reihen und verunmöglichte von vornherein eine Einlassung auf das Postulat. SP-Vertreter Beat Weber hob wieder einmal zu seinen gefürchtet langatmigen Belehrungen an und verkündete – für den treuen Leser dieser Zeilen wenig überraschend – die ablehnende Haltung der SP-Fraktion. Nun denn, das Parlament hat das Postulat getreu der stadträtlichen Empfehlung trotzdem für erheblich erklärt. Allerdings machte Stadtrat Peter Jans dann umgehend klar, dass der Stadtrat in der Tat nicht vorhabe, die sgsw (also die St.Galler Stadtwerke) in naher Zukunft auszugliedern. Immerhin würde die vom Postulanten aufgeworfene Thematik gegenwärtig von verschiedenen Stadtwerken landauf landab thematisiert, weshalb man dies in St.Gallen durchaus auch machen könne. Das Ergebnis der Abklärung scheint für Stadtrat Jans zumindest aber schon heute klar. On verra.

Von offenen Türen:

Fast schon skurill muteten die Voten der Interpellanten Thomas Brunner (GLP) und Markus Knaus (EVP) zum Thema „Quartierentlastung mittels Teilspange?“ an. Denn die im November 2015 von ihnen und von SVP-Vertreter Christian Neff eingereichte Interpellation hat sich durch das überaus klare Volks-Nein zur SP-Güterbahnhofinitiative mittlerweile erübrigt. Das Anliegen der Quartierentlastung durch die Teilspange ist ja gerade einer der Gründe, weshalb es die Teilspange überhaupt geben soll. Es ist aber beim besten Willen müssig, heute schon Fragen nach konkreten Massnahmen über das Jahr 2030 hinaus zu stellen. So lange dürfte es wohl noch gehen, bis der Autobahnanschluss beim Güterbahnhof realisiert wird. Die konkrete Projektierung geht ja erst los. Einmal mehr fragt sich der geneigte Beobachter, mit welcher Motivation solch unnötige und unverständliche Vorstösse eingereicht werden. Dies umso mehr vor dem Hintergrund, dass das Dreigespann GLP-EVP-SVP nun doch etwas gar ungewöhnlich und in dieser Kombination reichlich unglaubwürdig erscheint.

Von sprunghaften Entscheiden:

In jüngerer Zeit nimmt die erstaunte Öffentlichkeit gleich dreifach Kenntnis von argumentativen Spitzkehren der städtischen Verwaltung: Nachdem der von langer Hand geplante „Park“ beim neuen Naturmuseum nun doch nicht gebaut werden kann (denn darunter befindet sich – welch Überraschung! – der Autobahntunnel), wurde auch das millionenteure und im letzten Sommer dringlich erklärte Umbauprojekt des alten Schulhäuschens in Rotmonten für einen Mittagstisch über Nacht urplötzlich beerdigt (obwohl ein parlamentarischer Auftrag hängig ist, Alternativen zu prüfen). Und jetzt hat der Stadtrat auch die Zusammenführung der Sozialen Dienste an der Haggenstrasse handstreichartig gestoppt. Die Kosten drohten aus dem Ruder zu laufen, lautet die Begründung. Nun: Die Gründe für all diese überraschenden Wendungen werden wir noch eingehend prüfen müssen, wir wollen hier nicht vorschnell urteilen. Wunderlich sind diese Vorgänge aber allemal. Mit der jüngsten Kapriole (soziale Dienste) in unmittelbarem Zusammenhang steht eine Interpellation von SP-Vertreter Peter Olibet zu den häufigen personellen Wechseln bei den sozialen Diensten, die als letztes Traktandum behandelt wurde. Die gestellten Fragen sind legitim. Auch legitim ist aber die Bemerkung, dass gerade die ständige mediale Schelte insbesondere verschiedener KESB-Fälle mit ein Grund für die häufigen personellen Wechsel sein dürften. FDP-Vertreter Marcel Rotach zollte den Mitarbeitenden der sozialen Dienste folgerichtig zunächst einmal Respekt und Anerkennung für ihre oft sehr undankbare und überaus schwierige und spannungsgeladene Arbeit. Und die CVP merkte zu Recht an, dass viele Fragen rund um die sozialen Dienste gerade nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollten. Wenn schon, dann sollte sich die GPK solchen Themen eingehend widmen. Insbesondere dafür sei sie da. Gut gebrüllt, Löwe! Es ist davon auszugehen, dass die GPK sich in den nächsten Monaten noch vermehrt einige Brocken wird vornehmen müssen.

Von Wahlen:

Aus aktuellem Anlass möchten wir unsere geneigte Leserschaft höflichst bitten, am 24. April in Scharen an die Urnen zu gehen – und „unserem“ Marc Mächler die Stimme zu geben. Wir brauchen einen würdigen liberalen Kopf in der St.Galler Kantonsregierung – als Ersatz für den bewährten Willi Haag. Marc Mächler in den Regierungsrat!! Danke für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung!