Julisitzung des Stadtparlaments

Berufs-Bedenkenträger:

Bevor sich das Stadtparlament wie immer vor der Sommerpause über die Rechnung des Vorjahres beugte, hatte es sich mit einem wesentlichen Pfeiler unserer Stadtgeschichte zu befassen, nämlich der Reformation. Das ist in einer Stadt wie St.Gallen nach wie vor potenziell ein heisses Eisen, da der Kulturkampf hier vor nicht allzu langer Zeit noch heftig wütete. Der Stadtrat unterbreitete dem Parlament einen Verpflichtungskredit von 700‘000 Franken, um verschiedene Projekte rund um das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation umzusetzen. Immerhin trägt St.Gallen seit Januar 2015 das Label „Reformationsstadt Europas“ und gehört damit zu den europaweit 50 derart „gelabelten“ Städten; in der Schweiz  sind es deren zehn. St.Gallen spielte in der Ostschweiz im Zuge der Reformation eine tragende Rolle; Joachim von Watt (Vadian) und Johannes Kessler setzten sich intensiv mit den Lehren Luthers auseinander. Ein Anlass, innezuhalten, diese spezielle Geschichte zu studieren und daraus auch Erkenntnisse für die Gegenwart abzuleiten. Nun, im Stadtparlament bewegten sich die „Frontlinien“ nicht – wie man dies unreflektiert vielleicht hätte erwarten müssen – entlang der tradierten konfessionellen Grenzen, sondern zwischen CVP und FDP auf der einen und dem linksgrünen Lager inklusive Teilen der SVP (!) auf der andern Seite. Da waren sie also wieder, die ewigen Bedenkenträger. Jene Spezies, die in unseren Breitengraden recht zahlreich verbreitet ist und liberale Geister oft den Kopf schütteln lässt. Was sei denn Anlass zu feiern, wo bleibe der Bezug zur katholischen Kirche, wo bleibe die kritische Auseinandersetzung mit der Religion, und wo die Aktualität? Diese und viele weitere Einwände seitens SP wurden dann von der SVP angereichert mit dem ultimativen Kostenargument, indem die budgetierten Reserven von 120‘000 Franken als völlig überrissen dargestellt wurden. Das Thema der Reformation weckt jedenfalls heute noch Emotionen, wenn auch auf unerwarteter Seite. FDP-Vertreterin und Stadtführerin Jennifer Deuel legte ihrerseits engagiert dar, dass gerade Vadian eine wirklich herausragende und interessante Persönlichkeit war, die wider den Aberglauben angetreten sei und z.B. auch jegliche Hexenverbrennung untersagt habe. Und sie zitierte den sozialistischen deutschen Politiker und Publizisten August Bebel (1840 -1913): „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“ Trotz eines ebenfalls sehr engagierten Votums des Stadtpräsidenten liessen sich die Bedenkenträger(innen) kaum von ihrer „heiligen“ Mission abbringen; sie blieben letztlich aber ohne Erfolg. Das Parlament genehmigte –  wenn auch denkbar knapp – den Kredit, und das ohne Kürzungen. Nur am Rande sei erwähnt, dass der Kulturkampf zumindest bei einem Teil unserer Bevölkerung offensichtlich und glücklicherweise überwunden ist. Denn: Die Kommunikationsagentur, die das Reformationsjubiläum 2017/18 betreuen soll, ist bekannterweise im CVP-Milieu angesiedelt. Ausgerechnet!

Zahlenreigen:

Dann war die Zeit für die Behandlung und die Genehmigung der Rechnung 2015 gekommen. Wer den Ratsbetrieb kennt, weiss, dass die Rechnungssitzung nicht mehr als die parlamentarische Form der Vergangenheitsbewältigung ist, da es an den vorgelegten Zahlen nichts mehr zu ändern gibt. Die Parteien – an vorderster Front die FDP – lobten die Leistung der Verwaltung und ihren Beitrag zum guten Ergebnis des letzten Jahres, das mit einem Ertragsüberschuss von über 22 Mio. Franken abschliesst. Es gehört zum vertrauten Ritual der Rechnungssitzungen, dass sich gewisse Parteien vorsorglich für die Budgetsitzung im Dezember in Stellung bringen. Während die SP auf mehr Stellenprozente für die Planung des Langsamverkehrs pochte, kündigte die SVP bereits an, sie strebe eine Steuerfussreduktion um 1 Prozent an, was wiederum den Stadtpräsidenten umgehend zu einer Replik veranlasste. Er legte unmissverständlich dar, dass mit einem solchen Entscheid rein gar nichts gewonnen sei. Aber eben: Diese Diskussion ist nicht im Juli zu führen, sondern erst im kalten Dezember 2016.

Die FDP-Fraktion ihrerseits hütete sich davor, in Ankündigungspolitik zu verfallen. Ohne das Budget zu kennen ist es schlicht nicht seriös, schon über Steuerfussreduktionen oder andere Massnahmen zu sprechen. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums bemühte sich SP-Vertreterin Maria Pappa nach Kräften, die immergleiche ideologische Leier zu predigen und den bürgerlichen Sparkurs zu verteufeln. Dieser diene letztlich nur denjenigen, die ohnehin schon zu viel hätten. Auch belege der im Vergleich zum Budget wiederholt bessere Abschluss der Stadt die Sparhysterie der Ratsrechten. Zu unguter Letzt verstieg sich Pappa noch zur Behauptung, budgetierte Ausgaben müssten jedenfalls auch getätigt werden – egal, ob diese im konkreten Fall notwendig seien oder nicht. Dass auch die längste Tiefzinsphase irgendwann ein Ende finden wird (und zwar im Fall einer hoher Verschuldung eines mit Schrecken), dass ein hoher Selbstfinanzierungsgrad Ausdruck einer umsichtigen und nachhaltigen Finanzplanung ist, dass der Investitionsplafond möglichst langfristig gehalten werden soll oder dass ein solides Eigenkapital ein Polster für schwierige Zeiten ist, lässt die Linke argumentativ weiterhin nicht gelten. Ideologie verträgt sich offensichtlich nicht mit Fakten.

In eigener Sache:

Der Waaghausticker geht hiermit in die Sommerpause, die nächste Ausgabe folgt im August. Jenem Zeitpunkt, ab dem uns der aufziehende Wahlherbst auf Trab halten wird. Am 24./25. September bestellen die Stimmbürgerinnen und -bürger das Stadtparlament und die Stadtregierung neu. Wir wollen das liberale Gedankengut in unserer Stadt St.Gallen weiter stärken – mit einer überzeugenden Liste 1 für das Stadtparlament, mit dem Stadtpräsidenten Thomas Scheitlin und dem Stadtratskandidaten Marcel Rotach. Wir freuen uns über Ihr Interesse und danken für Ihre wertvolle Unterstützung. Geniessen Sie den Sommer!