Juli Sitzung des Stadtparlaments

Der Sommer ist da:

Wenn sich das Parlament mit der Rechnung des Vorjahrs beschäftigt, ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass die lokalpolitische Sommerpause vor der Tür steht. Entsprechend von Vorfreude beseelt beugte sich der Rat gestern über die Zahlen. Die Stadt schloss das Berichtsjahr 2016 mit einem Ertragsüberschuss von 5,8 Mio. Franken ab. Angesichts des ursprünglich budgetierten Defizits von fast 7 Mio. Franken ist dies an sich ein erfreulicher Wert, den man gleichwohl auch negativ interpretieren kann: Einmal mehr hat die Stadt von ihren Einwohnerinnen und Einwohnern zu viel an Steuern verlangt! Und nicht zum ersten Mal geben die Zahlen der FDP im Nachhinein recht. Unsere Fraktion hatte in der Budgetdebatte 2016 (leider vergeblich) eine Steuersenkung durchsetzen wollen. So viel scheint schon heute sicher: Der nächste Streit um die Höhe des Steuerfusses wird im Dezember anlässlich der Budgetdebatte 2018 ausgefochten. Die SVP hegt dem Vernehmen nach bereits Ideen von Steuersenkungen im zweistelligen Prozentbereich. Auf die heiteren Diskussionen darf man sich freuen.

«Kässeli-Debatte»:

Zu den Begleiterscheinung guter Rechnungsabschlüsse gehört es, dass sich die Politik regelmässig mit sogenannten „Vorfinanzierungen“ beschäftigen darf. Über den höheren Zweck solcher «Kässeli» entspann sich gestern – auch das nicht zum ersten Mal – ein rhetorischer Schlagabtausch zwischen den Fraktionen. Dabei ist das Grundprinzip von Vorfinanzierungen relativ schnell erklärt: Es sollen Reserven für künftige Investitionsvorhaben angelegt und damit die finanzielle Belastung von grossen Vorhaben auf mehrere Jahre verteilt werden. Gestern gab genau dies zu reden. Heiss diskutiert wurde auch die Höhe der vom Stadtrat vorgeschlagenen Einlagen (Vorfinanzierungen). Entgegen der Absicht des Stadtrats, welcher Einlagen von 5 Mio. Franken für den Bahnhofplatz bzw. von 7 Mio. Franken für das Kunstmuseum beantragt hatte, obsiegte der Antrag der FDP. Dieser sieht Vorfinanzierungen von 5 Mio. Franken für die Freiwilligen Schulhausangebote FSA/FSA+ vor, dazu weiter 2.5 Mio. Franken für den Bahnhofplatz und 4.5 Mio. Franken für das Kunstmuseum. Unsere Argumentation, wonach insbesondere die für den massiven Ausbau des FSA/FSA+-Angebotes in der Stadt vorgesehenen Investitionen schon sehr konkret sind, verfing bei einer Mehrheit des Parlaments.

Tiefgekühltes:

Im weiteren Verlauf der Debatte verhedderten sich einige Votanten im Dickicht des Zahlengewirrs und produzierten entsprechend skurrile Aussagen. SP-Vertreter und Schnellsprecher Etrit Hasler etwa wusste zu berichten, dass der gestiegene Stromverbrauch an den Schulen nicht auf den vermehrten Gebrauch von Tablets zurückzuführen ist. „Schuld“ seien vielmehr die Tiefkühltruhen – eine der infrastrukturellen Begleiterscheinungen des kontinuierlichen Ausbaus der Tagesstrukturen an den städtischen Schulen. Wir hoffen an dieser Stelle, dass die tagesbetreuten Kleinen auf ihre Rechnung kommen und sie sich die sommerliche Hitze mit dem einen oder anderen Glacé versüssen dürfen. So haben wenigstens sie etwas vom Klimawandel.

Phantomberichte:

Die Verwaltung lässt sich doch immer wieder Neues einfallen. Hatten wir an dieser Stelle vor Monatsfrist noch wortreich kritisiert, dass die Bauverwaltung manchmal zehn Jahre für das Erstellen einer Bauabrechnung braucht, so hat die Direktion von Peter Jans (SP) gestern auch noch die kümmerlichen Reste des sprichwörtlichen Vogels abgeschossen: Der offenbar bereits von der GPK verlangte Bericht zum Thema Glasfaser und Fernwärme ist schlicht vergessen gegangen. Gestern lag das gewünschte Dokument dem Parlament nicht vor. Stadtrat Jans stellte diesen Bericht – und es war ihm sichtlich unwohl dabei – nun für die nächste GPK-Sitzung in Aussicht. Nun, zu spät ist das gute Stück dann jedenfalls immer noch.

Der grosse Sumpf:

St.Gallen und Schlamm, das passt zusammen – zumindest im Zusammenhang mit dem Open Air im Sittertobel. Weniger Freude bereitet uns allen jedoch ein anderer Sumpf, der immer tiefer wird: Konkret hat sich bei den St.Galler Stadtwerken mittlerweile eine Verschuldung von 318 Mio. Franken angehäuft, was Anlass zu grosser Sorge bietet. Wie genau dieser Sumpf in absehbarer Zeit trockengelegt werden soll, wissen die Götter – und selbst diese rätseln. Es wäre an der Zeit, dass man nicht nur im Sittertobel, sondern auch an der St. Leonhardstrasse mit dem grossen Aufräumen beginnt. Vielleicht ergibt es schon bald Gelegenheit dazu, denn der millionenteure Ausbau des städtischen Fernwärmenetzes rückt auf die städtische Abstimmungsagenda. Wenn das bloss nicht in einer Schlammschlacht endet…

Überall ist nichts:

Alljährliches Highlight der Rechnungsdebatte ist der «Bericht der ständigen parlamentarischen Kommissionen zu Vorstössen des Jahres […] gemäss Partizipationsreglement». Auch heuer – wen wundert’s – hält der Bericht fest, dass keine Vorstösse lanciert worden sind. Wozu es zur sichtbaren Untermauerung dieser Aussage indes zwei A4- Seiten respektive eine akkurat geführte, inhaltsleere Tabelle braucht, weiss niemand so genau. Bleiben wir also bei den bekannten Fakten. Gemäss diesen hat auch im Berichtsjahr 2016 kein einziger Migrant und kein einziger Jugendlicher sein reglementarisch verbrieftes demokratisches Recht dazu genutzt, um einen Vorstoss ans Stadtparlament zu richten! Auch dieses niederschmetternde Resultat lässt sich unterschiedlich interpretieren. Während Etrit Hasler seitens der SP weiterhin am Reglement herumdoktern will, bis sich irgendjemand genötigt fühlt, einen Vorstoss zu lancieren («Zwang zur Partizipation»), sehen sich die anderen – dazu gehört explizit der Schreibende und mit ihm «seine» FDP – ein weiteres Mal in ihrer Einschätzung bestätigt, wonach das Partizipationsreglement in etwa so unnötig ist wie ein Kropf. Politische Teilhabe lässt sich in einer Demokratie nun mal nicht verordnen. Darüber hinaus sind wir der Ansicht, dass unser vergleichsweise liberal aufgebautes Staatswesen auch ohne reglementarische Unterfütterung auf kommunaler Ebene ausreichend Raum zur Mitsprache bietet. Offensichtlich fühlen sich Jugendliche und Migranten im herrschenden System wohl, womit betreffend die Notwendigkeit einer besonderen (sprich: zusätzlichen) Einbindung eigentlich alles gesagt wäre.

Und damit verabschieden wir uns in die Sommerpause, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass bereits am kommenden Samstag das FDP-Sommerprogramm startet – mit einem spannenden Blick hinter die Kulissen des Stadttheaters. Weitere ungewohnte Einblicke folgen im Verlaufe der Sommerferien. Wir wünschen herzlich eine wohlverdiente Sommerpause!!