Januarsitzung des Stadtparlaments

Neues Jahr – neues (Un-)glück:

2015 hat für uns alle hoffentlich gut begonnen. Nicht so in Paris. „Je suis Charlie“ ist in aller Munde. Der Slogan symbolisiert die Reaktion auf eine unfassbar brutale und sinnlose Tat. So sonnig und unbeschwert unser Leben im friedlichen St.Gallen auch sein mag, betroffen macht das Massaker auch uns. Der Akt der Barbarei hat seinen Schatten gestern bis ans Waaghaus geworfen: Die abtretende höchste St.Gallerin, Marie-Theres Thomann-Seiz, hat das festlich gestimmte Parlament und die Tribüne gleich zu Beginn der ersten Sitzung des Jahres 2015 zu einer Schweigeminute aufgefordert. Diese Geste gilt allen Opfern des weltweiten Terrors. Das Parlament hat für einmal geschwiegen. Eindrücklich.

Happy:

Nach dem nachdenklich stimmenden Auftakt wollte die scheidende Parlamentspräsidentin wohl bewusst einen Kontrapunkt setzen. Sie bedankte sich für das spannende Präsidialjahr und die Unterstützung. Sie wünschte sich mehr Fröhlichkeit in St.Gallen und wollte dies mit einem kurzen Musikclip untermalen. „Happy“, der Ohrwurm von Pharrell Williams, sollte uns beschwingt ins neue Politjahr tragen. Allein: die Technik spielte allen einen Streich und nach wenigen Sekunden stockte der Clip  – und die Musik ebenso. Schade, aber dafür konnte niemand was. Und wie Scherben Glück bringen sollen, soll auch diese kleine Panne uns allen trotzdem Glück und viel Erfreuliches bescheren…

Wahlreigen:

Einmal im Jahr gibt sich das Parlament auffällig zahm. Dann winkt es diskussionslos durch, was präsentiert wird und vermeidet fast schon bewusst konfrontative Aussagen: So wählte das Parlament gestern, wen es zu wählen gab und der erfahrene CVP-Parlamentarier Thomas Meyer übernahm das Zepter von Marie-Theres Thomann-Seiz. Wie es sich gehört, wurde er einstimmig zum höchsten Stadt St.Galler gewählt. Herzliche Gratulation! Meyers lau ausgefallene „Antrittspäuk“ vermochte – so viel Kritik sei an dieser Stelle erlaubt – die festlich gekleidete Corona nicht zu begeistern. Zum sichtlichen Erstaunen des Stadtpräsidenten vergassen die Zuhörer sogar zu applaudieren. Auch das soll aber kein schlechtes Zeichen für das CVP-Präsidialjahr sein.  Reibungslos wurde schliesslich der ebenfalls erfahrene Stadtparlamentarier Heini Seger zum Vizepräsidenten des Rates gewählt. Und auch die übrigen „Routine“-Wahlgeschäfte gingen ohne Nebengeräusche über die Bühne.

Störmanöver:

Ja, und dann war es um die Eintracht auch schon fast wieder geschehen. Die CVP hatte noch vor den Wahlgeschäften zur Überraschung Aller einen Ordnungsantrag eingebracht, der die Beratung der Frage der Einführung eines  elektronischen Abstimmungssystems im Stadtparlament auf die nächste Sitzung verschieben wollte. Ordnungsanträge dürfen gemäss Ratsreglement materiell nicht diskutiert werden – und so wurde dieser Antrag zu unserem Bedauern diskussionslos durchgewinkt. Das besagte Geschäft hätte gestern problemlos diskutiert werden können, da sämtliche Fakten bereits auf dem Tisch liegen. Aus liberaler Sicht gibt es keinen Grund, die Verhandlungen des Stadtparlaments pseudodemokratischer bzw. pseudotransparenter zu gestalten, wie dies der entsprechende Vorstoss der SP (Postulat „für eine demokratischeres Stadtparlament dank mehr Transparenz“) fordert. Entsprechend sinnlos ist es, das Traktandum zu verschieben, um zusätzliche Abklärungen vorzunehmen. Abklärungen notabene, die vom Präsidium des Parlaments schon in der Vergangenheit getätigt worden sind. Der Ordnungsantrag der CVP manifestiert einmal mehr, dass es der Partei, welche gemäss ihrer eigenen Propaganda „der Mehrheit voraus geht“, nicht um Grundsätze geht und die Finanzpolitik obendrein wieder in den Hintergrund rückt. Denn welches elektronische Abstimmungssystem auch immer wir allenfalls anschaffen werden, es wird eine schöne Stange Geld kosten. Geld, das wir im Moment und bis auf weiteres nicht haben. Es wäre ein denkbar schlechtes Zeichen, würde sich das Parlament selber ein neues „Spielzeug“ ohne sichtlichen Mehrwert bewilligen, während anderswo gespart werden muss.

Aschermittwoch:

Versöhnlich haben wir begonnen, versöhnlich wollen wir auch schliessen. Die traditionelle Feier zu Ehren des neuen Präsidiums im Anschluss an die Debatten war schön und stimmig. Nach einem üppigen und sympathischen Apéro im Feuerwehrdepot, mit den „Schlössliguggen“ als musikalische Umrahmung, verschob sich die ganze Festgemeinde in die Räumlichkeiten der „Tagblatt“-Druckerei im Westen der Stadt. Auch dort herrschte fasnächtliche Stimmung, da die organisierenden Fraktionen der CVP und der SVP – dies sei hier besonders lobend erwähnt – mit der bemühenden Tradition gebrochen hatten und keine eigenen „Produktionen“ zum Besten gaben. Stattdessen sorgte ein sicherer Wert für höchst gelungene Unterhaltung: Louis de Saint Gall höchstpersönlich (wenn auch ohne rote Clown-Nase) versetzte die Festgemeinde schon fast in Fasnachts-Stimmung. Seine „Laternen“- und anderen Verse waren auch diesmal ein Hörgenuss. Schade, waren sie schon bald zu Ende. So wie am Aschermittwoch, wenn alles vorbei ist…