Februarsitzung des Stadtparlaments

Der Alltag hat uns wieder:

Nach den Feierlichkeiten zu Ehren der neuen „höchste St.Gallerin“ im Januar hat das Stadtparlament gestern seine reguläre Arbeit wieder auf- und damit die neue Legislatur in Angriff genommen. Die Präsidentin hat dem Parlament zunächst nochmals und in schönstem (!) Bühnendeutsch erklärt, wie unsere neueste Errungenschaft – namentlich unsere elektronische Abstimmungsanlage – funktioniert. Bei nüchterner Betrachtung hat sich das Parlament hier eine ziemlich lotterige Apparatur gegönnt: Die Visualisierung der Abstimmungsergebnisse mutet gemessen an den heutigen Standards doch eher archaisch an und die Übermittlung der Ja-, Nein- oder Enthaltungs-Kundgebungen funktioniert oft nicht auf Anhieb. Der Nutzen dieses immerhin sehr günstigen Systems erschliesst sich uns auch nicht wirklich, aber man soll einmal gefällte Entscheide im Nachhinein nicht wieder in Frage stellen. Trotzdem möchten wir daran erinnern, dass die FDP-Fraktion eigentlich eine andere Lösung vorgezogen hätte, nämlich den Umzug des Stadtparlaments in die Pfalz, wo seit geraumer eine moderne Abstimmungsanlage zur Verfügung steht, die ihr städtische Pendant nun umso brötiger dastehen lässt. Diese Alternativlösung ist bis auf Weiteres vom Tisch, nachdem „past-president“ Heini Seger einen Kompromiss zum weiteren Schicksal des Waaghauses geschmiedet hatte: Dieses erfährt eine sanfte Renovation, und das Parlament bleibt, wo es ist. Interpretieren wir dieses Faktum augenrollend als Ausdruck des Sparwillens des Parlaments.

Big Brother:

Erinnern Sie sich? Im Juni 2005 hat das St.Galler Stimmvolk über das neue Polizeireglement abgestimmt und dieses klar mit fast 66% Ja-Stimmen angenommen. Das Reglement beinhaltet neben einem Vermummungsverbot insbesondere auch Regeln zur Videoüberwachung gewisser neuralgischer Stellen in der Stadt. Dem Volksverdikt vorangegangen war ein für unsere Verhältnisse aussergewöhnlich gehässig geführter Schlagabtausch im Stadtparlament, dem der Abstimmungskampf letztlich in Nichts nachstand. Der Schreibende hatte sich damals vehement (und letztlich erfolgreich) für das neue Reglement stark gemacht. Heute, bald 12 Jahre nach der Redeschlacht, legte Stadtrat Nino Cozzio seinen «Evaluationsbericht zur Wirksamkeit der Videoüberwachung im öffentlichen Raum» vor, dies als Antwort auf ein Postulat zweier prominenter SP-Vertreter. Gerade die SP war es, welche sich damals erfolglos mit Händen und Füssen gegen das Reglement wehrte. Die linken „Big-Brother“-Vergleiche überzeugten die Bevölkerung damals nicht. Heute straft die Lektüre des Evaluationsberichts all Jene Lügen, die schon vor 12 Jahren Galle gespuckt respektive den Teufel an die Wand gemalt haben. Die Polizei als Repräsentantin des Staats geht massvoll um mit dem Datenmaterial, das die Kameras produzieren. Mit Hilfe der Kameras konnten in einigen Fällen tatsächlich teils schwere Verbrechen aufgeklärt werden. Das Reglement hat sich bewährt, das muss sich auch die Linke heute unumwunden zugestehen. Das rhetorische Trommelfeuer von 2005 ist längst Geschichte; Etrit Hasler (einer der SP-Postulanten) bemühte sich gestern zwar nach Kräften, den damaligen Widerstand zu relativieren, er vermochte aber nicht darüber hinwegzutäuschen, dass er und mit ihm die ganze SP sich damals gehörig verrannt hatten. Das haben die Debatte und v.a. der Bericht eindrücklich gezeigt. Gut so!

Pappa ante Portas:

Die neue Baudirektorin Maria Pappa hatte gestern ihren ersten längeren Auftritt im Parlament. Sie äusserte sich zur vorab aus dem Riethüsli-Quartier stammenden Kritik, wonach im Jahr 2019 die heutige provisorische Passerelle über die Teufener Strasse im Bereich der oberen Berneggstrasse abgebrochen werden soll. Anstelle der Passerelle soll neu eine Lichtsignalanlage einen unfallfreien Übergang sicherstellen. Stadträtin Pappa bemühte sich redlich, das Vorgehen des Stadtrats zu rechtfertigen, verhedderte sich dabei argumentativ aber ziemlich. Sie verstieg sich unter anderem zur Behauptung, dass die bestehende Passarelle das Quartier trenne (!) und ein möglicher Kreisel die Wege für zu Fuss Gehende (dies scheint gemäss herrschender städtischen Diktion der neue gendergerechte Ausdruck für «Fussgänger» zu sein…) verlängere. Nach unserer bescheidenen Auffassung besteht der Zweck einer Passarelle ja gerade darin, zwei Punkte im Quartier zu verbinden; im konkreten Fall tut sie dies seit fast 10 Jahren leidlich. Und wieso ein Kreisel die Wege länger machen soll, erschliesst sich uns auch unter Aufbieten von viel Phantasie nicht wirklich. Bei geschickter Planung kann man/frau stracks durch den Kreisel – also auf dem direktesten Weg – von A nach B gehen….

Es grünt so grün:

Grün scheint im Moment wieder „in“ zu sein; wir führen das saisonbedingt auf den langen, grauen Winter zurück. Während das Stimmvolk am Sonntag die Sömmerliwiese neu der Grünzone zugeteilt hat, erhöhte das Parlament seinerseits gestern den «Rahmenkredit Photovoltaik» von 2.5 Mio auf 3.5 Mio Franken. Der Antrag stammte – Sie raten richtig – von den Grünen. Das Parlament stimmte zu, obwohl der als Langredner bekannte Thomas Brunner (glp) zu einem seiner gefürchteten Endlos-Voten ansetzte, mit dem er schliesslich auch die letzten tapferen Schüler von der Zuschauertribüne des Rats vertrieb. Materiell wenig erstaunlich war, dass sich auch die SP-Fraktion im „Brunner’schen Nebel“ positionierte und ihrerseits mehr Geld als nötig verteilen wollte. Die FDP und ihr Sprecher Roman Bühler kämpfte vergeblich dagegen an, über den Rahmenkredit Geld „auf Vorrat auszugeben“. CVP-Vertreter Werner Ruppeiner rechnete vor, dass mehr Projekte auch mehr Personal (und damit wieder höhere Kosten) nach sich ziehen. Schliesslich konnten auch wder Jennifer Deuel (FDP) noch Karin Winter (SVP) die neuen Mehrheiten im Parlament umstimmen. Und so erhöhte das Stadtparlament ohne Not und ohne wirklich überzeugende Gründe diesen Rahmenkredit für eine an sich sinnvolle Sache. Für die Steuerzahler bot sich ein Vorgeschmack auf die in den nächsten Jahren anstehenden finanzpolitischen Abenteuer.

Abstimmungsunterlagen für alle – nein!

SP-Vertreter Etrit Hasler und Jeyakumar Thurairajah von den Grünen wollten mit einer Motion erreichen, dass Abstimmungsunterlagen neu auch an Minderjährige ab 16 Jahren sowie an Ausländerinnen und Ausländern verschickt werden sollten. Diesem Ansinnen erteilte die Mehrheit des Rats – zum Glück möchte man sagen – eine Absage. Zur angeblichen Relevanz des Vorstosses, auf welche sich die Motionäre beriefen, lässt sich relativierend festhalten, dass gerade mal drei Personen die Debatte auf den Zuschauerrängen verfolgten. CVP-Präsident Michael Hugentobler wandte sich aus «Ressourcen-Überlegungen», wie er es nannte, gegen einen Versand der Unterlagen. Stattdessen wünschte er sich die Möglichkeit, die Unterlagen im Internet downloaden zu können (lieber Michael, ein entsprechender Link existiert seit Jahren…). Die SP zeigte sich uneins. Fraktionspräsident Daniel Kehl räumte ein, dass er sich zwar oft über die Bürgerlichen ärgere, dass ihm aber etwas fehlen würde, wenn er mit uns nicht mehr streiten könnte, weil es uns egal wäre! Und da sind wir ausnahmsweise einmal einig mit der SP: Das «lustvolle» Politisieren ist unser Lebenselixier und faire Streitgespräche Balsam für unsere Politseelen. Die Motion wurde schliesslich nicht für erheblich erklärt und ist damit vom Tisch. Zumindest ist sie das bis zum nächsten Vorstoss. Das Ganze erinnert ein wenig an die Diskussion um das Partizipationsreglement, das sich seit seiner Einführung als Papiertiger erweist. Teilhabe am politischen Prozess lässt sich in einer Demokratie eben nicht verordnen.

Kein graues Herz im grünen Ring:

Das letzte Traktandum des Abends befasste sich mit einem weiteren grünen Postulat, das die (verlorenen?) Grünflächen in der Stadt in einem Bericht erfasst und diskutiert haben wollte. FDP-Vertreter Werner Kühne lobte zu Recht die augenfällig erfreuliche Arbeit des Gartenbauamts und dessen Bemühungen, Grün in die Stadt zu bringen respektive dieses zu pflegen. Die SVP vermochte das Anliegen der Postulanten zwar im Grundsatz nachzuvollziehen, sie wollte den Vorstoss trotzdem nicht unterstützen. Selbst Teile der SP-Fraktion mochten das Postulat nicht mittragen, da der zu erwartende Erkenntnisgewinn zu gering sei und ohnehin die falschen Fragen gestellt worden seien. Ins gleiche Horn stiess die CVP, die nichts weniger als eine Beschäftigungstherapie für die Verwaltung fürchtete. Die neue Bauchefin stimmte in den Chor der Kritiker ein – entsprechend fand das Postulat seinen direkten Weg auf den parlamentarischen Kompost.