Februarsitzung des Stadtparlaments

Politkracher:

Die Februar-Sitzung des Stadtparlaments wurde mit einem potenziellen „Politkracher“ eröffnet. Das Mobilitätskonzept des Stadtrats figurierte auf der Traktandenliste an erster Stelle. Für nicht Eingeweihte: Dabei geht es um die Antwort auf ein Postulat aus unseren Reihen. Wir haben den Stadtrat gebeten, Bericht zu erstatten, wie er den Herausforderungen bezüglich Mobilität aller Verkehrsträger begegnen will, ohne diese gegeneinander auszuspielen. Überdies hätte der Stadtrat in einem schlüssigen Konzept darlegen sollen, ob und falls ja welche Massnahmen zu ergreifen sind. Das Thema mag auf den ersten Blick zum Gähnen erscheinen, bei näherer Betrachtung birgt es aber viel politischen Sprengstoff und betrifft die ganze Bevölkerung. Die FDP hat sich letzte Woche anlässlich einer Medienorientierung dezidiert kritisch zum Ergebnis geäussert, was von den meisten anderen Parteien wenig goutiert worden ist. Der aufziehende Stadtparlaments-Wahlkampf wirft seine Schatten voraus. Für die SP/Juso/PFG-Fraktion äusserte deren Sprecherin Beatrice Truniger zunächst zwar ebenfalls grundsätzliche Kritik an der mutlos geratenen Antwort des Stadtrats, um diese dann aber im Ergebnis dennoch zu loben. Im Übrigen stamme das Postulat ja ohnehin aus der bürgerlichen Ecke. Damit skizzierte Beatrice Truniger auch gleich das grundlegende Problem. Denn…

…Schützengraben-Denken vs. Pioniergeist:

Die städtische Verkehrspolitik ist seit Jahrzehnten ideologisch festgefahren. Die älteren Semester unter Ihnen werden sich an die Diskussion um die Stadtautobahn in den späten 1970er-Jahren erinnern (wo stünden wir heute ohne diese Autobahn?). Oder an die Auseinandersetzung um die geplante Südumfahrung (deren Scheitern kein einziges Problem gelöst hat). Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch der gescheiterte Parkplatzkonsens, der politisch zwar zustande gekommen war, in der Abstimmung dann aber durch linke Kreise torpediert wurde. Aktuell hält die endlose Diskussion um Parkmöglichkeiten im allgemeinen und um Tiefgaragen im Besonderen die Wortführer beider politischer Grosslager in Wallung. Das Mobilitätskonzept offenbart in diesem Kontext – aus kritischer Distanz betrachtet (vgl. NZZ von gestern) –  die Ratlosigkeit des Stadtrates. Anstatt Visionen zu entwickeln, betet er das Reglement für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung und die darin vorgesehene Plafonierung des Individualverkehrs herunter. Verkürzt dargestellt wird folgende Botschaft verkündet: Der Langsamverkehr (insbesondere Fussgänger und Velos) und der öffentliche Verkehr sollen „nachfrageorientiert“ ausgebaut werden, beim motorisierten Individualverkehr (MIV) wird demgegenüber „angebotsorientiert“ geplant. Will heissen: Das Mobilitätswachstum auf dem Stadtgebiet soll mit dem Langsamverkehr und dem ÖV aufgefangen werden! Man darf sich fragen, wie dies gelingen soll. Zahlreiche Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung lassen sich auch in Zukunft schlecht mit dem Klappvelo befriedigen. Die FDP kritisiert den Umstand, dass es dem Konzept schon an den Grundlagen mangelt. So verliert der Stadtrat keinen einzigen Gedanken an die von ihm selbst an anderer Stelle prognostizierte Bevölkerungsentwicklung und die damit zusammenhängenden Erwartungen in Bezug auf den Verkehr. Auch nachvollziehbare Überlegungen zu technischen Entwicklungen sowie zu unterschiedlichen Bedürfnissen, auf welche das Angebot sinnvollerweise auszurichten wäre, sucht man im Papier vergebens. Ohne solche grundlegenden Annahmen lässt sich kein nachvollziehbares respektive umsetzbares Konzept zimmern.

Die wenig engagiert verlaufene Diskussion im Stadtparlament von gestern verstärkte den Eindruck, dass sich die Ratsmehrheit den spannenden, aber komplexen und entsprechend anstrengenden Fragen rund um die Mobilität der Zukunft nicht stellen will. Stattdessen machte man es sich lieber in den bekannten, behaglich eingerichteten Ideologie-Nischen bequem. Und damit bleiben die Fragen vorderhand offen, welche Auswirkungen etwa die Elektromobilität, das autonome Fahren oder die möglicherweise anstehende Verschmelzung von ÖV und MIV auf die Stadt St.Gallen haben werden. Die FDP ihrerseits bleibt am Thema dran und hat auch schon einen entsprechenden Vorstoss eingereicht, der unter anderem die Frage aufwirft, ob sich St.Gallen nicht als Pionierstadt für die Elektromobilität positionieren könnte.

Der Kanton hat immer Recht:

Die Entscheidungen und Diskussionen im Waaghaus sind – dies sei an dieser Stelle einmal mit entwaffnender Ehrlichkeit gesagt – wahrlich nicht immer von prickelnder Brisanz. Und manchmal könnte man den Eindruck erhalten, dass die behandelten Geschäfte nicht wirklich bahnbrechend sind. Beim sperrig klingenden „Nachtrag V zur Gemeindeordnung zur Wahl des Stadtpräsidiums und der übrigen Mitglieder des Stadtrates in Übereinstimmung mit dem Gemeindegesetz von 2009“ handelt es sich offenkundig um ein solches Thema. Im Kern geht es lediglich darum, geänderte, zwingende (!) Vorgaben des Kantons rund um das Wahlprozedere unserer Stadtoberen im Gemeindegesetz zu verankern.

Aber die Vorlage hat es offenbar in sich, denn die GPK beugte sich gleich an mehreren Sitzungen über die trockene Materie. Teile der Kommission empörten sich über die theoretische Möglichkeit, dass für die Wahl eines neuen Stapi in sehr ausgefallenen Konstellationen – horribile dictu – bis zu 4 Wahlgänge nötig sein könnten (heute sind theoretisch bis zu 3 Wahlgänge möglich). Interessant ist indes, dass der Entscheid Parlament materiell irrelevant ist. Ändern kann es die zwingenden Vorgaben des Kantons nicht. Bleibt zu hoffen, dass es im Herbst bei der Wahl des Stadtpräsidiums keine Kampfwahl gibt. Und wenn Sie sich mit der Materie noch eingehender befassen wollen, so erhalten Sie Gelegenheit dazu. Der gestrige Beschluss des Parlaments untersteht nämlich dem obligatorischen Referendum, so dass auch das städtische Stimmvolk dereinst noch einen Nicht-Entscheid fällen darf (auch dieses ist an die zwingenden Vorgaben des Kantons gebunden).

Kennen Sie TiSA?

Hier handelt es sich nicht etwa um ein Haushaltpapier oder um Klebstoff, sondern ein internationales „Trade in Services Agreement“ im Zusammenhang mit der Teilnahme der Schweiz am transatlantischen Freihandelsabkommen. Etwas, das – der Ideologie verpflichtet – in den Reihen der Ratslinken naturgemäss auf grosse Skepsis stösst und automatisch unter Generalverdacht steht. SP-Vertreter Weber dankte in seinem gewohnt langatmigen Votum dem Stadtrat für die Beantwortung seiner Interpellation mit dem suggestiv gefassten Titel „Wie gefährlich ist TiSA?“. Er machte sich gar für eine „TiSA-freie Zone St.Gallen“ (sic!) stark. Was das soll? Nun, vereinfacht gesagt stört sich Weber – und mit ihm eine muntere Schar vornehmlich linksorientierter Politiker – an der möglichen Öffnung öffentlicher Dienstleistungen für den Markt. Eine solche würde zumindest theoretisch Fragen aufwerfen, allerdings lassen sich allfällige hypothetische Auswirkungen zum heutigen Zeitpunkt noch gar nicht abschätzen, ganz abgesehen davon, dass das nationale Parlament in Bern darüber befinden könnte. Mit dem Weltuntergang muss man allerdings nicht rechnen, zumindest nicht wegen TiSA. Unser Stadtpräsident Thomas Scheitlin versuchte nach Kräften, die Thematik ins rechte  Licht zu rücken. Er erklärte, dass TiSA vornehmlich auf Bundesebene ein Thema sei, die Städte ihrerseits versuchten, via den Städteverband – falls überhaupt – Einfluss auf die Materie zu nehmen. Im Übrigen konnte Scheitlin insoweit Entwarnung geben, als sich das Verhandlungsmandat der Schweiz ohnehin nur auf kommerzielle Dienstleistungen beschränkt und öffentliche Dienstleistungen somit gar kein Thema für uns sind. Die Genossen versuchen halt immer noch nach Kräften, den Kapitalismus zu überwinden. Uns bleibt die Hoffnung, dass sich der Sturm im Wasserglas wieder legen wird.

Ceterum censeo:

Abschliessend möchte ich Sie, geneigte Leserin, geneigter Leser, höflich dazu ermuntern, bis zum kommenden Sonntagmittag unsere Regierungsratskandidaten Marc Mächler und Martin Klöti mit Ihrer Stimme zu unterstützen und im Rahmen der Kantonsratswahlen die FDP-Liste 1 einzulegen. Ebenso bitten wir Sie, die städtische Güterbahnhofinitiative der SP wuchtig zu verwerfen. Danke für Ihre Unterstützung! Und wenn Sie diese Zeilen lesen und noch nicht zu unserer Wählerschaft zählen… wagen Sie den Schritt!

Bereits tauchen zudem die städtischen Wahlen vom September am planerischen Horizont auf. Dannzumal werden wir den Stadtrat (und den Stadtpräsidenten) wieder wählen und das Stadtparlament neu bestellen können. Die städtische FDP arbeitet schon mit Hochdruck an den Vorbereitungen für einen spannenden Wahlkampf. Lassen Sie sich überraschen!