Augustsitzung des Stadtparlaments

Soviel vorweg:

Die Wiederaufnahme des Ratsbetriebs hatte es gestern in sich. Den Parlamentariern bot sich viel Gelegenheit für politische Auseinandersetzungen über die „richtige“ liberale Ausrichtung.

Liberales Schaulaufen:

Unter anderem ging es um die Änderung der Bauordnung und des Zonenplans für Einfamilienhausgebiete. Bis zum 1. Oktober 2006 gab es innerhalb der Wohnzone eine

spezielle Bauklasse für Ein- und Zweifamilienhäuser („E2“):

Diese Zone wurde in der letzten Revision gekippt, u.a. mit der Absicht, die innere Verdichtung der Stadtquartiere zu fördern. Dadurch wird der Zuzug neuer Bürger eher angekurbelt (da grösseres Angebot), was im guten Fall zusätzliches Steuersubstrat generiert und den Wohlstand der Stadt tendenziell fördern kann. Auf der anderen Seite lässt diese Entwicklung aber wertvollen Wohnraum für Wohlhabendere verschwinden, da klassische Einfamilienhausquartiere unter Druck von renditeträchtigeren Mehrfamilienhäusern kommen. Bei dieser Ausgangslage hat sich das Parlament, und mit ihm auch unsere Fraktion, klar für den Vorschlag des Stadtrats ausgesprochen: Es soll zwar keine neue Einfamilienhauszone geschaffen, gleichzeitig aber eine differenzierte Lösung umgesetzt werden. Neu werden drei verschieden „schützenswerte“ Gebiete ausgeschieden: Verdichtungsgebiete (Mehrfamilienhäuser möglich), Wohnzonen mit besonderen Anforderungen (massvolle Verdichtung möglich) und Wohnzonen mit Ortsbildschutz (nur sehr zurückhaltende Änderungen möglich). Wir erachten diese abgestufte Lösung für sinnvoll und zielführend, da sie die ungebremste Überbauung von Gebieten verhindert, die traditionell eher grossflächigen Einfamilienhauszonen entsprechen, was durchaus ein Bedürfnis potenter Steuerzahler und Bürger aufnimmt. Das „liberale Herz“ ist hin und hergerissen. Einerseits haben wir einer zusätzlichen Regulierung zugestimmt, andererseits lässt sich das Ergebnis gut begründen und erscheint auch in einem grösseren Zusammenhang sinnvoll.

Liberale Kür:

In einer weiteren Vorlage ging es – horribile dictu – eigentlich um eine zusätzliche Stelle in der Verwaltung. „Eigentlich“ deshalb, weil das Parlament gestern lediglich den Bericht über eine dreijährige Erprobungsphase zur Kenntnis nehmen konnte. Konkret geht es um den „Quartierentwickler“ der seit den besagten knapp drei Jahren mit einem Pensum von 80 Stellenprozenten versuchsweise „als Scharnier zwischen der Verwaltung und den Quartiervereinen“ fungiert. Diese Person ist zwischenzeitlich zum „Quartierbeauftragten“ aufgestiegen, seine Dienstleistungen sollen nach dem Willen des Stadtrats nun definitiv Teil des städtischen Angebots werden (70%-Pensum). Berichte kann man einfach zur Kenntnis nehmen – oder allenfalls sogar das verweigern. An der Stelle des Quartierbeauftragten lässt sich zum heutigen Zeitpunkt nichts ändern. In der Budgetdebatte vor Weihnachten wird Gelegenheit bestehen, die entsprechenden Mittel zu kürzen. Womit wir wieder bei den liberalen Fragestellungen angelangt wären: Ist es wirklich eine Staatsaufgabe, einen solchen Quartierentwickler zu beschäftigen? Seine Arbeit in Ehren, aber weshalb kann der Quartierpräsident nicht direkt auf die Verwaltung zugehen, wenn es Probleme, Fragen oder ganz konkrete Anliegen gibt? Wieso stärkt man nicht die dezentral organisierten Quartiervereine respektive weitere, ähnlich gelagerte Vereinigungen? Und weshalb versucht man nicht, z.B. die „vereinigten Quartiervereine“ und ihren Präsidenten in eine einflussreichere Stellung zu bringen? Sie fragen sich: und was macht die FDP nun? Wir werden im Dezember versuchen, diese Stelle aus dem Etat zu streichen, denn das aktuelle finanzpolitische Umfeld ist wenig geeignet, derart „wünschbare“ Dienstleistungen anzubieten oder zusätzlich zu schaffen. Wir müssen uns auf das „Machbare“ bzw. das. „Notwendige“ beschränken. Alles andere soll – so entspricht es der liberalen Forderung nach Eigeninitiative – privat organisiert werden. Dies ist nicht nur günstiger, sondern erfahrungsgemäss auch wirkungsvoller.

Schlacht um den Güterbahnhof, 1. Runde:

Zum Schluss beschäftigte sich das Parlament mit der unseligen SP-Initiative „für ein lebendiges Areal Güterbahnhof ohne Autobahnanschluss“. In einem über 60 Minuten dauernden Wortgefecht schenkten sich die linke und die rechte Ratsseite nichts.  In der 1. Runde des verkehrspolitischen Schlagabtauschs, der uns bis zur Volksabstimmung im Februar 2016 ins Haus steht, schlug die SP gestern fleissig Luftlöcher. Sie rannte offene Türen ein, etwa mit der Forderung nach einer ungehinderten städtebaulichen Entwicklung und einer gemischten Nutzung des Güterbahnhofareals. Die vom Bund im östlichen Ende geplante Ausfahrt der ansonsten unterirdisch verlaufenden Autobahn stört dabei nur jene, die das so sehen wollen. Besonders stossend ist, dass die SP ihre Initiative eingereicht hatte, bevor der nun favorisierte Vorschlag auf dem Tisch lag. Die SP spielt diesbezüglich mit gezinkten Karten und hat nicht den Mut, das Volksbegehren zurückzuziehen. Es stehen ja Wahlen an. Sollte das Volk der Initiative zustimmen, würden hunderte von Millionen an Bundesgeldern anderswo hinfliessen –die Stadt St.Gallen ihrerseits würde in diesem Fall buchstäblich in die 3. (Autobahn-)Röhre gucken. Das Verkehrsproblem im Gebiet Kreuzbleiche respektive von der Liebegg bis zum Autobahnzubringer bliebe auf lange Sicht ungelöst.

Unterschiedlich bewertet werden kann der für viele eher überraschende Ausgang der gestrigen Parlamentsdebatte: Während eine Mehrheit die Initiative ablehnte, votierte eine ähnlich grosse Mehrheit zunächst dafür, dem Volk einen Gegenvorschlag zu unterbreiten. In der Eventualabstimmung zwischen der Version des Stadtrats und jener der Baukommission obsiegte Letztere – um in der Schlussabstimmung dann aber grandios zu scheitern. Das St.Galler Stimmvolk wird im Februar somit „nur“ über die Initiative selbst zu befinden haben, ein Gegenvorschlag steht nicht zur Debatte. Und ich kann Sie – aus liberaler und staatspolitisch vernünftiger Sicht – jetzt schon nur eindringlich dazu auffordern, im Februar 2016 an die Urne zu gehen und ein wuchtiges NEIN einzulegen!