Pilot typengemischte Oberstufe der Stadt St.Gallen

Dr. Martin Annen, Dienststellenleiter Schule und Musik, zu Gast am Morgenstamm

Am heutigen Morgenstamm der FDP Stadt St.Gallen stand die Zukunft der städtischen Oberstufe im Fokus. Gastreferent Dr. Martin Annen, Leiter der Dienststelle Schule und Musik, präsentierte das Pilotprojekt der typengemischten Oberstufe und zeigte auf, weshalb die Durchmischung von Sekundar- und Realschülerinnen und -schülern ein entscheidender Schritt hin zu mehr Chancengerechtigkeit ist.

Die Schweiz bildet jedes Jahr rund 14'000 Jugendliche nicht entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit aus. Studien zeigen, dass die Hälfte der Realschülerinnen und -schüler in Mathematik Leistungen erbringt, wie sie auch in der Sekundarstufe vorkommen. Dennoch entscheidet häufig der soziale Hintergrund über den schulischen Bildungsweg. Die PISA-Studie 2012 weist nach, dass Jugendliche aus sozial privilegierten Familien deutlich häufiger ins Gymnasium oder in die Sekundarstufe übertreten als solche aus weniger begünstigten Verhältnissen. Für Dr. Annen ist diese soziale Selektivität nicht vereinbar mit dem Verfassungsgrundsatz «Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen.»

Typengemischte Oberstufe zeigt Wirkung

Seit dem Schuljahr 2024/2025 werden im Schulhaus Schönau Sekundar- und Realschülerinnen und -schüler eines Jahrgangs in sechs typengemischten Klassen geführt und gemeinsam unterrichtet. Die Erfahrungen aus der Praxiserprobung sind deutlich: Das Schulklima hat sich spürbar verbessert, Disziplinprobleme treten seltener auf und die Schülerinnen und Schüler unterstützen sich gegenseitig im Lernprozess. Auch die Zusammenarbeit der Lehrpersonen hat sich intensiviert und ist stärker vernetzt, gleichzeitig hat die Auswertung gezeigt, dass dadurch für Lehrpersonen kein zusätzlicher Aufwand entstanden ist. Eine Befragung unter den Eltern ergab eine hohe Zustimmung: 80 Prozent zeigen sich zufrieden mit dem Modell. Realschülerinnen und -schüler, die Leistungen auf Sekundarstufe erreichen, erhalten im Zeugnis eine entsprechende Kennzeichnung. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass alle im Pilotversuch mindestens eine Note auf Sekundarstufe erzielt haben.

Ausbau und gesetzliche Verankerung

Das Pilotprojekt wird schrittweise ausgebaut. Ab 2026 soll die ganze Oberstufe West das Modell umsetzen, 2027 folgen die Oberstufe Ost sowie das Centrum. Parallel dazu läuft die Totalrevision des Volksschulgesetzes, deren Inkraftsetzung auf das Schuljahr 2028/29 geplant ist. Dr. Annen betonte abschliessend, dass die typengemischte Oberstufe ein «Dienst an den Schwächeren» sei, ohne dass leistungsstarke Schülerinnen und Schüler dabei benachteiligt würden.