St.Gallen, 17.02.2016 | Rückblende: Knapp drei Jahre ist es her, dass die FDP als Reaktion auf den gescheiterten städtischen Parkplatzkonsens eine ganzheitliche Betrachtungsweise in der Verkehrspolitik gefordert hatte. Schon damals verfolgte die FDP einen ganzheitlichen Ansatz, der sich – fernab der ideologischen Grabenkämpfe rund um das Thema – von der isolierten Betrachtung der Probleme in der Innenstadt löst und den Mobilitätsbedürfnissen der Bevölkerung Rechnung trägt. Im Oktober 2014 doppelte die FDP-Stadtparlamentsfraktion mit einem Postulat nach, das vom Stadtrat ein Mobilitätskonzept forderte.
Mehr ein „Inventar“ als ein Konzept
Seit Ende Oktober 2015 liegt das von der städtischen Direktion Bau und Planung unter der Führung von Stadträtin Patrizia Adam respektive von der Direktion technische Betriebe (Peter Jans) verfasste Konzept auf dem Tisch. Das Schriftstück bleibt aus Sicht der FDP vieles schuldig. Von zukunftsgerichteten Lösungen findet sich keine Spur, stattdessen wird der ideologisch verbrämte Ansatz des städtischen Verkehrsreglements aufs Neue in Buchstaben gegossen. Man mag den Autoren zwar zu Gute halten, dass sie im Grundsatz viele Gedanken haben einfliessen lassen und dass eine gesamtheitliche Sicht erstellt worden ist. Gleichzeitig wird das Papier dem Anspruch eines „Konzepts“ nicht einmal ansatzweise gerecht. Vieles, was schon in der Vergangenheit gesagt worden ist, wird auf rund 40 Seiten zusammengetragen und nochmals durchgekaut. Schlagworte wie „Verkehrsvermeidung“, „effiziente Verkehrsabwicklung“ und „optimale Vernetzung“ tönen zwar gut – aber damit hat es sich auch schon. Weiter schwören die Autoren an verschiedenen Stellen des Papiers auf die ebenso gebetsmühlenartig vorgetragenen wie in der Praxis wenig wirksamen Mittel der „Sensibilisierung der Bevölkerung“. Bei genauerer Betrachtung erkennt man darin den Versuch einer gross angelegten Umerziehungsaktion. Zu glauben, dass das funktioniert, ist eine Illusion und treibt im besten Fall die Leute raus aus der Stadt aufs Land. Hilfreich ist das nicht.
Fragen, die nicht gestellt worden sind
Ein Mobilitätskonzept, das diesen Namen verdient, müsste auf gesicherten Annahmen zur künftigen Entwicklung der Stadt basieren. Solche Überlegungen nehmen im ansonsten umfangreichen Papier des Stadtrats indes gerade mal eine Viertelseite ein. Es sind die folgenden Fragen, die aus Sicht der FDP einem tauglichen Konzept zugrunde liegen müssten:
› Erwartungen zur Bevölkerungsentwicklung (Stadt und Region) in den nächsten 20-30 Jahren.
› Erwartungen zur Verkehrsentwicklung in den nächsten 20-30 Jahren.
› Wohin entwickeln sich der ÖV, der motorisierte Individualverkehr (miV) und auch der Langsamverkehr?
› Welches Verkehrsmittel nimmt in Zukunft realistischerweise welche Bedeutung ein (und zwar heute bzw. in 10, 20 oder 30 Jahren)? Wir sind überzeugt, dass der Langsamverkehr nie eine wirklich tragende Rolle in der Wirtschaft übernehmen kann, entsprechende Forderungen zum Thema sind primär ideologisch aufgeladen.
› Was ist die Bedeutung der einzelnen Verkehrsträger für die Versorgung, die Entwicklung, die Wirtschaft, die Freizeit, die Attraktivität der Stadt, etc.?
› Wohin entwickelt sich das Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung?
Aus diesen Überlegungen würden sich Erkenntnisse ergeben. Stattdessen bewegen sich die Autoren auf den ausgetretenen Pfaden. Das ist schade und aus Sicht der FDP eine vertane Chance.
Stückwerk abgeliefert
Positiv erwähnt werden im Papier die Teilspange und die dritte Röhre, was die FDP explizit begrüsst. Leider bleibt der Text des Stadtrats diesbezüglich aber bei den bekannten Fakten stehen. Es werden auch hier keinerlei Visionen entwickelt, die vielleicht auch die heutigen Gegner dieser Vorhaben aufhorchen lassen würden. Es fehlen des Weiteren schlüssige Ideen, wie denn der regionale Verkehr in Zukunft in den Griff zu bekommen ist. Wie man etwa mit der Tatsache umgehen will, dass wir in der Stadt zwar vieles an die Hand nehmen können, dass ein Teil des Verkehrs aber von Aussen kommt respektive wieder nach Aussen geht. Die Stadt allein kann kein Verkehrskonzept umsetzen, das ist aus Sicht der FDP klar. Die FDP unterstützt die Idee der Stadt der kurzen Wege. Das bedeutet aber auch, dass in St.Gallen attraktiver Wohnraum angeboten werden muss. Fehlt dieser Wohnraum, wird wieder Verkehr generiert (öV oder miV), was der Gesamtzielsetzung diametral entgegenläuft.
St.Gallen soll voranschreiten
Das vielbeschworene Reglement für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung verfolgt nach Auffassung der FDP jene wenig visionären Ideen, die nun auch im Konzept repetiert werden. Echte Antworten auf die Bedürfnisse der Bevölkerung liefert es nicht. Das Reglement plafoniert nach Auffassung der Initianten lediglich den miV. Die FDP fordert hier ein Umdenken, eine Abkehr von der Ideologie in Verkehrsfragen hin zu Innovation, zu einer Vorreiterrolle, wie St. Gallen sie in der Geothermie um ein Haar hätte übernehmen können. Es gibt ein grosses und wachsendes Unbehagen in der Bevölkerung, was die Mobilität betrifft, aber ein entgegengesetztes Handeln der massgeblichen Akteure. Eine Umerziehung ist nicht zielführend, stattdessen sind neue Ideen gefragt. Die Technik bietet zunehmend mehr ungeahnte Möglichkeiten; kluge Köpfe gäbe es in der Stadt und auch anderswo genügend. Wir sollten aber definitiv loskommen von den Ideologie-Grabenkämpfen, wie sie das Konzept des Stadtrats weiter zementiert.
Die FDP wird die Thematik konstruktiv und aktiv aufnehmen und prüft die Lancierung einer entsprechenden Initiative.