Im ersten Stock des Waaghauses zeigt sich an diesem Donnerstagabend ein ungewohntes Bild. Für einmal herrscht auf beiden Seiten des Parlamentssaals eine bürgerliche Mehrheit. Die FDP der Stadt St. Gallen hat sich den Tagungsort des Stadtparlaments ausgesucht, um ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die Stadtparlamentswahlen vom 25. September zu nominieren. Zu Beginn der Versammlung rollt Fraktionspräsident Roger Dornier die lange und wechselvolle Geschichte des Waaghauses auf.
Den Schwung ausnützen
Das Ziel der FDP für die Stadtparlamentswahlen im Herbst ist klar: zu den derzeit zehn Sitzen drei dazugewinnen. Für Andreas Dudli, Präsident der städtischen FDP, ein realistisches Vorhaben: «Wir sind im Aufwind.» Er verweist auf die jüngsten nationalen und kantonalen Wahlen: Im Nationalrat hat die FDP einen Sitz dazugewonnen, im St. Galler Kantonsrat waren es vier zusätzliche Sitze. «Diesen Schwung gilt es auszunützen», sagt Dudli. Es sei nämlich «absolut ärgerlich», dass die FDP vor vier Jahren bei den Stadtparlamentswahlen zwei Sitze verloren habe. «Die linken Parteien haben zugelegt, wir mussten Federn lassen.» Das soll im September nicht noch einmal passieren.
Der Listenplatz ist zweitrangig
Die Liste der FDP ist mit 32 Kandidatinnen und Kandidaten gut gefüllt (siehe Kasten). Zuerst sind die zehn Bisherigen aufgeführt, nach Anzahl erhaltener Stimmen sortiert. Auf den Plätzen 11 bis 19 folgen jene FDP-Politikerinnen und -Politiker, die schon einmal fürs Stadtparlament kandidiert haben. Auf den Plätzen 20 bis 31 sind die Neukandidierenden zu finden, und den etwas undankbaren letzten Platz übernimmt freiwillig Robert Ritter. Wobei Andreas Dudli betont, dass der Listenplatz kaum entscheidend sei. Er verweist auf Isabel Schorer, die vom zweitletzten Listenplatz aus für den Kantonsrat kandidierte – und gewählt wurde.
Ein gemischtes Team
Wie die 32 Kandidatinnen und Kandidaten ticken, erzählt Moderatorin Eva Nietlispach in einer kleinen Vorstellungsrunde. Im Vorfeld hat sie die Kandidierenden nach ihrem Lieblingsort, dem Lieblingsrestaurant und nach Vorbildern befragt. Bei der Auswertung der Antworten entwirft Nietlispach das Bild eines breit aufgestellten Kandidatenfelds: «Gemischte Teams sind am erfolgreichsten.» So erfährt man zum Beispiel, dass Mauro Tiberi gerne bei McDonald’s isst, Stefan Keller am liebsten die Aussicht vom Lindeli in Haggen geniesst und dass unter den Kandidierenden nicht nur Juristen, sondern auch Malermeister, Bauingenieure und Musiker zu finden sind. Bei aller Vielfalt gibt es – neben der Partei – noch eine weitere Gemeinsamkeit: Alle wohnen in der Stadt St. Gallen.
Verkehr, Bildung und Stolz
Nach ihrer politischer Botschaft befragt, geben die Kandidierenden an der Versammlung darüber Auskunft, wofür sie sich einsetzen wollen: «Wir ersticken im Verkehr», sagt beispielsweise Marcel Rotach. «Mir ist der Bildungsstandort wichtig», sagt Jennifer Deuel. Remo Daguati möchte einen neuen Anlauf für einen Innovationspark nehmen, und Stefan Weder vermisst in der Stadt das Selbstvertrauen: «Wir sollten nicht Mitläufer sein, sondern vorangehen.»